Betreff: Art.110 BV

Von: Bank der Künste

Datum: 03.12.2003 15:08 CET


(1) Jeder Bewohner Bayerns hat das Recht, seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern. An diesem Recht darf ihn kein Arbeits- und Anstellungsvertrag hindern und niemand darf ihn benachteiligen, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.

(2) Die Bekämpfung von Schmutz und Schund ist Aufgabe des Staates.

 

Da haben wirs malwieder. Das gute alte Hintertürchen, es ist zwar sowieso nur eingeschränkt gültig, denn schließlich gibt es ja eine gesamtdeutsche Verfassung – pardon (das französische, s'il vous pleît, ich hoffe, meiner Mutter beim Buchstabieren richtig zugehört zu haben), das vorläufige Grundgesetz, das nur auf die Wiederverein, ach nee, das ist ja aus der Präambel gestrichen worden und durch sowas ähnliches wie "Blühende Landschaften" ersetzt worden, selbverständlich ist auch der Art. 146 (Geltungsdauer) etwas angepaßt worden, erlaubt es aber meinermeinungnach immernoch, die gesamte freiheitlich-demokratische Grundordnung mit einer simplen Postwurfsendung auszulöschen, denn "Dieses Grundgesetz […] verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist.", mei werden die schauen, wenn ich denen die 45 000 000 mit "Ja" bekreuzigten Antwortkärtchen bezüglich meiner Verfassung in den "Bundestag" (dann "Adlerburg") werfe und als erste Amtshandlung als Ehrenpräsident (übrigens widerspreche ich auch der Lehrmeinung, daß der Bundespräsident das Oberhaupt <pro forma> der Exekutive ist, denn er steht offensichtlich als einziger über der Gewaltenteilung, auch wenn das unsere Fachleute nicht wahrhaben wollen, weil ja in jedem Hand- und Schulbuch zum Thema Staatslehre als erstes Legislative-Exekutive-Judikative steht, und wenn die des sagen, dann hat Spinat viel Eisen) aus dem internationalen Drogenabkommen austrete und das zinsfreie Geldsystem einführe –, die – das – das aber ähnlich macht, "Diese Rechte [Meinungs- und Informationsfreiheit] finden [bei ihr – ihm –] ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." (Art. 5 Abs. 2 GG). Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob die Vorschriften der allgemeinen Gesetze einzeln gemeint oder die Vorschriften der allgemeinen Gesetze zum schutze der Jugend sind, mal schauen, was mein Taschenkommentar dazu sagt… Aha, der meint, dass die allgemeinen Gesetze solche sein müssen, die nicht "eine bestimmte Meinung verhindern, sich auch nicht gegen die Meinungsäußerung an sich richten, vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswertes, der gegenüber der Meinungsfreiheit vorrang hat […]." Klingt eigentlich ganz einleuchtend, lässt aber eindeutig zuviel Spielraum. Und was ist einglich, wenn wir mal nicht die intellektuelle, menschenrechtliche Elite im BVerfG sitzen haben? Die könnten nämlich einiges durcheinanderbringen. Ja es sieht für mich teilweise so aus, als stehe und falle mit ihnen das ganze System. Wir müssen tierisch aufpassen, daß wir nicht woanders hinkommen, es sind nämlich nur einige kleine Korrekturen nötig: "Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu äußern." (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Verfassung der DDR).

 

Darum sollte es aber eigentlich garnicht gehen, denn Schmutz und Schund gibt es ja auch noch in anderen Sinnzusammenhängen. Manche Leute leiden diesertage unter Rathausplatzangst (Santa Klaustrophobie), sie halten es nicht aus, daß Kinder vor den Süßigkeitsständen brüllen, Bürokräfte sich mittags mit Glühwein besaufen, alte Leute schimpfen, Mäntel mit Senf bekleckert werden und zwischenalldem ein paar Wahnsinnige Mütter ihre Kinder gesellschaftsuntauglich machen, weil sie es nie wieder vergessen werden können, wie um sie herum tausende Riesen standen, während sie wehrlos von ihrer eigenen Mutter mit dem Kinderwagen in die Kniekehle von einem nach dem anderen hineingerammt wurden, wobei Mami sie darüberhinaus ihre erste und für lange Zeit noch umfangreichste Lektion Schimpfwörter lehrte. Ich kann sie schon in gewisser Hinsicht verstehen, obwohl ich im obenerwähnten Trubel oft gerne dabei bin. Aber es hat schon was eigenartiges, sich einen abzufrieren, anzusaufen und womöglich regnet es obendrein, der Glühwein wird kalt, die Semmel is runtergefallen, weil sie sich nach der Hälfte durch eine unsachgemäße, genausowenig vorsichtige Bewegung in ihre Einzelteile zerlegt hat, schon hat man mehr Werte am Schuh kleben, als man je freiwillig fürs parken bezahlt hätte, ohne über das Glücksspiel mit der Strafzettelwahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der Abwesenheitszeit, der Abgelegenheit des Platzes und des Egal- und Wutkomplexes nachgedacht zu haben.

Aber es is halt einfach was anderes als der Döner an der Ecke, was nicht heißen soll, dass ich solches nicht am Weihnachtsmarkt haben will, es wäre mal ganz interessant, wie man sich mit diesem Kulturschock fühlen würde (Notiz: mit Döner über Christkindelsmarkt, vielleicht etwas Zimt; Döner mit Senf). Man kann die unnütze Fülle und Völle doch genießen, weil es gäbe nichts einfacheres, als sich eine Bratwurstsemmel zu machen und sich mit dieser und in voller Montur unter die kalte Dusche zu stellen. Es ist wohl die Freude darüber, dass in Augsburg endlich einmal was los ist. Die Kulturpallette war ein ganz guter Ansatz, das auch in die leichter bekleidete Jahreszeit hinüberzuretten, aber da fehlte die allumfassende, überreizende Bewirtung.

Und vielleicht ein wenig Zimt.

 

 

psycho, der noch überlegt, ob er seinen Adventskalender plündern soll

 

 

p.s.: Nelken nicht vergessen…

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