Betreff: Hoffnungen eines Pessimisten |
Von: Bank der Künste |
Datum: 21.11.2003 07:19 CET |
Ich habe letztens gelesen, daß es in der Chemie
"dissipative Strukturen" gibt. Fragt mich nicht, was das
ist, zumindest nicht genau. Es sei sowas wie eine unerklärlich
stabile Struktur, die sich aus einem äußerst chaotischen
System entwickelt. Einem System sehrsehrvieler unabhängiger
Teilchen, die ab einem gewissen quantitativen Niveau in
Wechselwirkung treten.
Der Autor hat auch noch den Vergleich
zur Entstehung des menschlichen Bewußtseins angeführt: Das
Gehirn besteht aus Milliarden unabhängiger Neuronen, die - für
sich allein betrachtet auch gar nichts besonderes bewirken, selbst
wenn man diese Nutzlosigkeit milliardenfach aufaddiert, bringt einen
das nicht weiter, außer man kandidiert für den Mister
Useless Weltmeistertitel - ab ungefähr 10 Milliarden anzahlig
ein Bewußtsein entstehen lassen. Das berümte Spielchen mit
dem mehr als der Summe seiner Einzelteile.
Nur was bringt uns
denn unser Ich-Bewusstsein (ich hab mich wieder an meine
Rechtschreibvorsätze erinnert) im täglichen Leben? Ich
stehe auf, meistens fast zu spät, weil mein inneres Ich es für
eine gute Idee hält, den Aufsteh-Vorgang noch einige Sekunden,
ach was bringen schon Sekunden, Minuten, warum kleckern,
Stundenbruchteile mit einstelligem Nenner hinauszuzögern,
verpasse daraufhin mein Frühstück, was mein Gemüt dann
auch nicht gerade positiv beeinflusst - ach, daran hat man wieder
nicht denken können, inneres Ich, wir sind ja soo intelligent
und können nichteinmal die Tagesplanung bis zum Frühstück
überschauen - und so starte ich dann hinaus in die Welt, die
doch ach so übervoll von noch mehr so durchgeknallten Individuen
ist, die sich lieber alle Haare (ja, alle) einzeln ausreißen
würden, als den Feind in die eigene Spur einfädeln zu
lassen, wodurch er ja eine Viertelstunde den Triumph auskosten
könnte, vor einem Selbst im Stau vor der Roten Ampel zu stehen,
die nur alleheiligezeit zwei Autos ins nächste Staugebiet
loslässt. Das individualisieren geht dann auch den rest des
Tages in sich immer wiederholenden Themenbereichen, die höchstens
eine Abwandlung der Vortagesthemen darstellen, weiter. Immer nach dem
Motto, Stolpern ist nur zu rechtfertigen, wenn es aus dem Versuch,
jemandem ein Bein zu stellen, geschieht. Wenn man auf solche Macht-
und Individualstrukturen einige Lebensbereiche bzw. die Welt
durchforstet (nein, ich will die Satzstruktur nicht ändern,
lieber verliere ich auch noch die letzten Leser - die wahrscheinlich
die Bank schon als Spam Spam Spam klassifiziert haben), könnte
man nur einen Schreikrampf kriegen gefolgt von dem Bedürfnis,
hinauszugehen, und dem Verantwortlichen gehörig die Fresse zu
polieren (ich stelle jetzt nicht in den Raum, ob das der Grund für
die zurückliegende Behandlung des Gottessohnes war) doch da sind
wir ja mitten im Problem - wir müssen erkennen, daß wir
uns auchnicht von dem Scheiß unterscheiden, was aber nicht
heißen soll, daß wir uns nicht wohler fühlen würden,
wenn wir einen verdreschen würden. Ja, Ghandi! Gewaltlosigkeit
schadet nicht den anderen, sondern einem selbst!
Und woher
kommt Dilemma? Von der Individualität. Da hatte Marx recht. Nur
ist nicht das Kapital der Arsch sondern der Arsch. Und es gibt keine
Vereinigung der Proletarier aller Länder, die alles zum Guten
führt, sondern schlichtweg keinen sichtbaren Ausweg. Ein Arsch
bleibt ein Arsch - auch wenn man was drüberzieht (mit Ausnahme
natürlich dieser Fellreste, die immer bei den
ZDF-Steinzeit-Doku-Film-Specialeffect-Feuerwerken von
Schauspiel-Anfängern getragen werden, die sind nämlich
allerliebst). Alles geht in die Binsen, weil das Individuum keinen
Blick fürs Ganze hat, ja, nichteinmal weiß, daß ein
Ganzes existiert. Solange es dieses nicht verstanden hat, ist auch
alles andere zwecklos. Man kann mir zwar sagen, daß Tofu gut
schmeckt, nur hat das für mich keine Bedeutung, wenn ich nicht
erfahren habe, daß Tofu gut schmeckt.
Zwar sind da
manchmal welche, die den Durchblick haben, oder zumindest einiges
davon, oder auch nur im Nebel in die richtige Richtung schauen. Die
bewirken dann auch immer sehr viel! Die erzählen dann anderen,
von der richtigen Richtung, stellen sich daneben und tun so, als ob
sie in den Nebel schauen, glauben vielleicht sogar selbst, daß
sie in die richtige Richtung schauen, erzählen anderen davon,
wobei die Richtung so langsam verschoben wird (Tofu soll wirklich gut
schmecken).
Scheinbar hat das Ganze nichteinmal selbst eine
Ahnung davon, daß es existiert, ist deshalb nicht in der Lage
seine Teile zu koordinieren. Doch könnte sich im Strudel der
unendlichen Wiederholungen ja auch das eine Ereignis wiederholen, das
die Neuronen verbunden hat. Inder statt Rinder! Vielleicht müssen
wir ja nur noch die nächsten vier Milliarden erwarten, bis es
Bumm macht und Gaia ihr Gesicht im Spiegel erkennt. Die magische Zahl
von 10 Milliarden Einzelteilen ist noch nicht erreicht, das
Weltbewusstsein noch nicht widerlegt.
Aber
möchte ich mit den Ärschen da draußen mein
Bewusstsein teilen?
psycho, der
seine erste Winterdepression überwunden hat
P.S.:
fac ut animae donetur paradisi gloria.