Betreff: Re: The world according to Me: Sinn und Zweck

Von: Bank der Kuenste

Datum: Thu, 30 Mar 2006 22:35:09 +0200 (CEST)

An: BANK der KÜNSTE



Jens schrieb:

Viele Menschen suchen in der Philosophie einen Leitfaden durchs Leben. Ich halte dies für eine vollkommene Überforderung des Philosophen, da er schon viel früher zum scheitern verurteilt ist.

 

Man fragt aber dennoch nach Sinn und Ziel im Leben und mein Rat zu diesem Thema wird nun sein, die Frage aufzugeben, nachdem ich meine eigene Antwort geliefert habe.

 

Der Mensch braucht keinen Sinn im Leben. In jeder Etappe seines Lebens bildet er sich immer ganz von selbst ein Ziel, selbst wenn es mal nur die nächste Straßenecke ist. Hätte der Mensch kein Ziel, wüsste er nicht für jede Handlung irgendeinen Sinn, so würde er sich vermutlich gar nicht von der Stelle bewegen.

 

Wenn der Mensch nun anfängt, den Sinn seines Handelns darin zu sehen, den Sinn seines Handelns aufzuspüren, begibt er sich automatisch in eine Schleife, aus der er nur ausbrechen kann, indem er sich einen neuen Sinn setzt.

 

Wie kann man eine Blondine stundenlang beschäftigen? Man gibt ihr ein Blatt Papier, auf dem auf beiden Seiten geschrieben steht: „Bitte wenden!“

 

Wir sollten aufpassen, dass wir uns nicht selbst als Blondinen entlarven.

 

Natürlich kann man antworten, diese Ziele sind immer nur Zwischenziele, die alle mehr oder weniger dazu geeignet sind, das letzte große Ziel zu erreichen. Wo aber kann man dieses Ziel ansetzen?

 

Im Diesseits kaum. Denn wenn man einmal tatsächlich dieses Ziel erreicht hat, muss man sich unweigerlich ein neues setzen, womit das vorherige wieder zu einem Zwischenziel geworden ist. Wenn es also im Diesseits sein sollte, dann halte ich es für unerreichbar und somit nur von geringem Wert.

 

Ich bin vielleicht gerade etwas zu weit gegangen. Man setzt sich ja schließlich am laufenden Band Ziele die man nie erreicht und meist auch gar nicht erreichen kann. Man streiche den letzten Teilsatz des vorherigen Abschnitts. Dennoch bleibt die Frage, ob der große Sinn im Leben auch nur so ein Ziel sein soll, das nie erfüllt wird.

 

Man könnte den Sinn des Lebens jenseitiger auffassen. Sozusagen jede seiner Handlungen auf ein Ziel im Jenseits gerichtet sehen. Viele Menschen finden das ja sehr erbaulich, die Aussicht, dass man im Jenseits für alle seine Mühen belohnt wird. Ich glaube, diese Menschen täten gut daran, nicht ans Jenseits zu glauben und lieber zuzusehen, dass ihre Mühen im Diesseits geringer werden. Denn wenn man einmal davon ausgeht, dass es nach unserem Leben endgültig aus ist, dann beginnt man dem Leben einen ganz anderen Wert beizumessen. Dann ist es schließlich alles was man hat. Da scheint es dann auf einmal vollkommen verfehlt, das Leben nicht vollends auszukosten. Dagegen wenn man nach dem Leben ein Paradies annimmt, dann macht man sich doch das Leben selbst zur Hölle.

 

Hier meine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens:

 

Das Leben selbst ist sein ganzer Sinn.



     


Sehr geehrter Jens,

dass Du niemandem einen Leitfaden bereitzustellen Dich in der Lage 
siehst, kann ich ja noch verstehen, auch wenn mein dies ausdrückender 
Satz mich beginnt zu verwirren.

Ich kann aber nicht verstehen, was Du gegen Blondinen und das jenseits 
hast. Ich für meinen Teil könnte mir vorstellen, dass ich es durchaus 
genießen könnte, eine solche figurative Blondine zu sein. Ich gebe 
allerdings zu, dass dies nur so sein könnte, wenn auch mein Bewußtsein 
vollkommen dem ihren entspräche.
Ist es nicht so, dass das zetteldrehende Einfaltsgeschöpf genau nach 
Deiner Maxime lebt, Sinnfragen garnicht erst aufkommen zu lassen, 
während sie sich ins Nirvana wendet?

Einzusehen ist Deine Jenseitsschelte zwar schon, aber nur gegenüber 
einer sehr speziellen Art der Jenseitsgewandheit. Klar ist Dein 
kategorischer Superlativ ("Boah, das Leben ist das schärfste!") ne ganz 
dufte Nummer, birgt aber die Gefahr in sich, eine immense Furcht vor dem 
unberechenbaren, abrupten Ende des Lebens anzuhäufen. Du kannst ja nicht 
ausschließen, dass es sowas jenseitiges gibt! Auch wenn ich es für 
unwahrscheinlich halte, einst barfuß über Wolken zu hüpfen. Ich denke, 
da hat man in der Diskussion irgendwann mal aufgehört, Allegorien als 
solche zu erkennen, bzw. angefangen, diese absichtlich zu verkennen, um 
sich schärfere Gegenargumente zu verschaffen.

Wenn aber eben das Leben selbst sein ganzer Sinn sei, kann es durchaus 
tröstlich sein, sich der Möglichkeit bewusst zu sein, dass am Ende 
desselben ein weiteres, anderes, ähnliches oder seltsames stehen könnte. 
Es muss ja nichtmal besser sein, nicht paradiesisch - das ist vielleicht 
sowieso nicht erstrebenswert, denn wenn es nirgendwo nach Scheiße 
stinkt, kann ein frisch gebackenes Plätzchen garnichtmehr soo gut riechen.


Hochachtungsvoll und mit den besten Wünschen,

psycho
-- 


Jens antwortete:

Sehr geehrter psycho,

ich gestehe, dass ich euch hier eine vielleicht noch viel einfältigere
Weisheit zur Verfügung gestellt habe, als ein immerwährendes Zetteldrehen
sie zur Verfügung stellen könnte. Ich wollte in diesem Fall wohl auch eher
eine Geisteshaltung darstellen, als eine letzte Wahrheit.

Natürlich ist es gar nicht auszuschließen, dass uns am Ende unseres Lebens
ein Jenseits erwartet. Da aber werder das ob noch das was beantworten
können, schien es mir Sinnvoller, seinen Lebensweg so zu gestalten, als gäbe
es kein Jenseits. Wenn es dann doch eines gibt, so kann man sich dann
darüber freuen oder Ärgern (sofern diese Gefühle im Jenseits irgendeinen
Sinn besitzen).

Ich muss allerdings eine große Gefahr eingestehen. Nach christlichem Glauben
erwartet uns am Ende dieser Welt ein Gericht, das jeden nach seinen Taten
und Worten, in erster Linie aber nach seinem Glauben richtet. Vor einem
solchen Gericht wird meine Geisteshaltung nicht lange bestehen können, denn
der Gläubige soll genau das tun, wogegen ich vorher gepredigt habe. Er soll
eben das Widerwärtige ertragen, soll gegen das eigene Wohl und die eigenen
Bedürfnisse immer den festen Glauben setzen können. Zu sagen, ich gebe den
Glauben an dieses Gericht und ein Jenseits, in dem jeder bekommt, was er
verdient, auf, wäre die größte Sünde. In anderen Worten, ich muss gestehen,
ich habe zu einer Sünde aufgerufen, die ich vielleicht einmal bitter
bezahlen werden muss. Für diesen Fall möchte ich jeden gläubigen Christen
bitten, für meine arme verlorene Seele zu beeten, nicht um mich
freizukaufen, sondern damit ich in diesen Gebeten im Jenseits vielleicht
einen Halt finden kann.

Ich werde dennoch nicht davon abweichen, der von mir dargestellten
Geisteshaltung zu folgen, auch wenn sie vielleicht zu einfältig ist. Ich
freue mich gerne auf ein Jenseits, aber eben nicht, wenn ich zu leben,
sondern erst, wenn ich zu sterben habe.

Ich werde noch über eine Änderung des Textes nachdenken. Er schien mir
selbst in seinem Kontext nicht wirklich geeinet. Vielleicht kann er aber als
ein Intermezzo verstanden werden, da ich jetzt die Bereiche der praktischen
Philosophie und der Ethik hinter mir lassen möchte und mich nun der
Erkenntnistheorie widmen möchte. Mir ist beim Sinnen über meiner eigenen
Textstruktur schon aufgefallen, dass ich einen problematischen Weg
eingeschlagen habe, indem ich die bisherige Diskussion vor die
Erkenntnistheorie gesetzt habe, es ist zumindest nicht unbedingt der übliche
Weg. Er gleicht eher dem Weg, den ich selbst schon gegangen bin und kann nur
daher wirklich seine Rechtfertigung erlangen. Nun werde ich auch in der
Erkenntnistheorie die Methaphysik an den Anfang setzen und hoffen, dass sie
sich aus dem Nachfolgenden in ihrer Gänze erschließen wird.

Mit den freundlichsten Grüßen,

Jens.