Betreff: Zuwanderungsabstimmung

Von: BANKderKÜNSTE

Datum: Fri, 22 Mar 2002 18:42:27 +0100

An: bank_der_kuenste@domeus.de


Also, wer es im Fernsehn angeschaut hat; es war wirklich eine interessante Sache.

Bei der Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz hat das Land Brandenburg uneinheitlich abgestimmt.

Nun werden sich einige fragen, was das macht. Darum eine kleine Einführung:

 

Jedes [Bundes-]Land kann so viele Mitglieder entsenden, wie es Stimmen hat. Die Stimmen eines Landes können nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder oder deren Vertreter abgegeben werden.

(Art. 51, Abs. 3 GG)

 

Mein Taschenkommentar ergänzt dazu folgendes:

 

Uneinheitlich abgegebene Stimmen eines Landes wären nach überwiegender Meinung insgesamt ungültig.

 

Nur genau formuliert ist diesbezüglich natürlich nix. Zum besseren Verständnis: Brandenburg wird von großer Koalition regiert. Als es zur Abstimmung kam, hat ein CDU-Minister gegen die Gesetzesvorlage gestimmt. Der Ministerpräsident dafür. Daraufhin gab es eine Belehrung seitens des BRatspräsidenten Wowereit an die Landesregierung Brandenburgs, in der er imwesentlichen vorigen Grundgesetzartikel (Satz 2) zitierte und den Ministerpräsidenten daraufhin ein weiteresmal fragte, wie denn nun Brandenburg abstimme. Dieser sagte, Brandenburg stimme dafür.

Wowereit wertete daraufhin die Stimmen Brandenburgs in ihrer Gesamtheit als gültig und pro Vorlage.

Das wurde von einigen Mißbilligt. Man kann (hier zumindest) sagen, Unionsregierte sind dagegen, meinen, die müßten als ungültig gewertet werden, andersrum SPDregierte.

Das Gesetz ist also nun formalrechtlich durch. Nächste Frage: unterzeichnet der Bundespräsident Rau? Antwort: wohl ja, denn wenn er sich nicht sicher ist, unterschreibt er, um dem Verfassungsgericht eine Entscheidung zu ermöglichen, denn dieses kann nur über ein tatsächliches Gesetz entscheiden.

Die entgültige Frage: Wie entscheidet also dann das BVerfG?

Hier kommen wir nun in die große Spekulation. Dort arbeiten hochqualifizierte Juristen wie ich. Wenn ich entscheiden sollte, hätte dieses Gesetz, so wie es zustandegekommen ist, bestand. Denn: die Landesregierungen treffen die Entscheidungen über die Abstimmung und ein Ministerpräsident ist die Verkörperung der LRegierung, besitzt demzufolge, wie der BKanzler auf Bundesebene, auf der Landesebene die sogenannte Richtlinienkompetenz (er entscheidet bei Unstimmigkeiten innerhalb der Regierung). "nur durch anwesende Mitglieder" bedeutet meinermeinungnach nicht, daß ein Land mit der entsprechenden Anzahl an Mitgliedern (gemeint sind BRatsMitglieder, die von den LRegierungen bestellt und abberufen werden können) muß, um die Fülle ihrer Stimmen auszunutzen. Demzufolge könnte eine Person alle Stimmen abgeben. Denn die unterschiedlichen Stimmanzahlen verschiedener Länder sollen nur eine unterschiedliche Gewichtung von Ländern unterschiedlicher Bevölkerungszahl ermöglichen, dienen nicht dazu, unterschiedliche Meinungen eines Landes auszudrücken (darum eben die Einheitlichkeit). "Jedes Land kann soviele Mitglieder entsenden" hat inmeinenaugen nur formal eine Bedeutung: hier geht es um Rederechte, Antragsrechte und dergleichen. Wowereits Entscheidung wäre demzufolge korrekt.

 

Weiterführende (nicht juristische) Erläuterung: wäre es den Verfassungseltern daran gelegen bzw. hätten sie bezweckt, eine Möglichkeit zu schaffen, daß sich ein Bundesland wegen innerer Unstimmigkeiten aus einer Abstimmung "herausschießt", hätten sie genauere bzw. überhaupt Verfahrensweisen dafür angegeben. Desweiteren ist hierfür die Stimmenthaltung zuständig (die - anbei bemerkt - aufgrund der im GG geforderten absoluten Mehrheit immer wie eine Ablehnung des Antrags wirkt).

 

Über die wahlkampftechnischen Gründe, warum es überhaupt zu dieser (überspitzten) Situation kam, möchte ich - neben diesen - kein Wort verlieren, genausowenig ist das Gesetz an sich Gegenstand dieses Artikels.

 

psycho, BaDeKy-Jurist

 

 

 

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 p.s.