Warum ich fast in der Tinte saß

…ist ja eigentlich klar: weil sie kurz davor war, von meinem Schreibtisch auf meinen Stuhl zu laufen, den ich zu diesem Zeitpunkt – übrigens auch jetzt – besaß/itze.
Nun, wie kam es dazu? Ich wollte etwas ausdrucken. Leider kommt jetzt keine Geschichte über eine spektakuläre Explosion aufgrund einer gigantischen Spannungsspitze, die mein selbstgebauter Frohsinnsstromgenerator entzückt durch die Steckdose blies, als ich gerade den glücklichsten Moment meines bisherigen Lebens durchlebte, in dem die tobenden Massen meine Weisheit preisen, weil meine Gedanken die Welt gerettet (nicht so ein popliges ich sprenge einen Asteroiden, sondern ein geniales ich habe alle Menschheitsprobleme gelöst) und in ein völlig idealanarchistisches Utopia überführt habe, in der ich der unangefochtene Alleinherrscher bin, und gebannt meinen neuesten Verkündungen lauschen, während mir aus umfassendster Selbstverständlichkeit die schönsten Frauen dieser Welt sexuelle Gefälligkeiten erweisen, während ich meinen Geist in Diskussionen mit den klügsten Köpfen der Welt angenehm stimuliere. Außerdem ich ständig aufs feinste mit unterschiedlichsten Genußmitteln versorgt werde, mit derer virtuosen Kombination ich ausdauernd jeden möglichen Gemütszustand herzustellen und zu intensivieren verstehe.
Sondern eine Erzählung, die mich in unvorteilhaftester Weise mehrmals Fehler begehen lässt, die mein durchdringender Intellekt gepaart mit der sexy naturwissenschaftlichen Bildung, hätte kommen sehen müssen.
Meine schwarze Tinte war leer. Der kluge Mensch baut vor und hat noch eine Wechselpatrone im Regal hinter sich. Dort ist sie immernoch, das ist aber eine andere Geschichte, außerdem wurde mir das erst Stunden später durch Zufall klar. Ich griff sie mir also, packte sie aus. Richtig geübte Handgriffe, eine echte Augenweide, mir zuzusehen, selbst von meiner Position aus. Drucker auf, Leere raus. Neue rein. Nein.
Merkwürdigerweise passt sie nicht. Also fast. Sie ist genauso breit, lang und tief. Nur ein wenig anders geformt an der Stelle, wo meine diese coole blinkende LED haben, die irgendwas mit dem Füllstand macht; ich denke mangelnden anzeigen. Die einzig gute Wendung in dieser Geschichte: dafür kann ich jetzt nichts. Es war kein Fehlkauf, sondern eine übrige Patrone eines inzwischen ausgemusterten Druckers, der ein Vorgängermodell meines Druckers ist, weswegen ich sie damals an mich genommen hatte, um bei Gelegenheit zu überprüfen, ob sie passt.
Offenbar war die Gelegenheit günstig, denn sie war gerade eingetreten, allerdings mit negativem Ergebnis. Ich hätte sie ja sowieso ungern weggeschmissen, aber die Tatsache, dass ich über die unpassende Patrone der Meinung war, sie sei es gewesen, die mich in der Vergangenheit glauben machte, ich hätte noch eine passende Ersatzpatrone, ließ mich meinen Intellekt befragen, was denn nun zu tun sei.
Der meinte irgendwas wie, wenn man eine Patrone nachfüllen kann, dann kann man eine Patrone auch entleeren und wenn man das kann, dann kann man eine auch nachfüllen, außerdem, schau mal, das sieht sogar so aus, als wären da zwei Stutzen dran, die dafür gedacht sind.
Ich nahm also sowohl mein Fahrad als auch meinen Weg zur Apotheke. Dort kaufte ich mir eine Einwegspritze und eine dünne Kanüle und da ich weder meine Arme eingebunden, noch über das übliche Maß hinausgehend dunkle Augenringe hatte und zusätzlich vor lauter Peinlichkeit irgendwelche Dinge über meinen Drucker faselte, bekam ich diese auch ohne besonderes Aufsehen für 30 Cent. Ich nahm also die Spritze und die Kanüle und mein Rad und meinen Weg… Nur eines nahm ich nicht; das freundliche Angebot an, mir einen Kassenzettel zu geben. Das sollte mir aber auch bis jetzt noch nicht zum Nachteil gereichen.
Auch wenn es langsam ermüdend wird, nahm ich außerdem noch ein Blatt Küchenrolle aus der Küche mit zum Ort des Geschehens, denn noch dachte ich, die Angelegenheit durchaus unter Kontrolle zu haben.
Wir bereiten also erstmal die volle Patrone vor, wie kommt man da rein? Hm dieser Stutzel im Reservoir scheint nicht so gemachte zu sein, als kriegte man den je wieder auf, der im Wattebauschteil bringt eigentlich nix. Is ja eh egal, wir punktieren einfach das Reservoir durch das Plastik mit einem Nagel und haben einen wunderschönen Kanülenkanal. Das ging auch wirklich gut. Durch den Druck auf den Tank kam auch nur ein ganz kleiner Tropfen aus dem ja vorhin schon geöffneten Flansch, der üblicherweise den Drucker mit Tinte versorgt. Nichts, worüber man sich Gedanken machen müsste. Bin ja auch schon durch.
Jetzt die leere Patrone wieder aus dem Drucker und das Etikett abgepopelt, weil sich darunter ja wieder dieser merkwürdige unstutzelige Stutzel befindet. Naja, sieht nicht so aus, als würde es sich darüber machen lassen, also im Befüllfall wohl doch eher durch das Wattezeug durch.
Den Blick zum Tintenspender zurückgewandt, musste ich feststellen, dass der kleine Tropfentintenfleck inzwischen Majestätische Ausmaße angenommen hatte. Der Intellekt meinte dazu, mist, hats jetzt doch eine Tintenbrücke über das Alufetzelchen geschafft, auf dem der Stutzel aufliegt, und die Saugwirkung der Küchenrolle battelt jetzt gegen die der Watte und gewann wohl etwas an Boden. Kein Grund zur Panik.
Nunja, der Intellekt revidierte seine Meinung, als unser Blick auf den Füllstand im Reservoir fiel: halb voll, sinkend. Achja, Unterdruck hält Flüssigkeiten in unten offenen Gefäßen. Löcher oben sind natürliche Feinde dieses Unterdruckes. Wir sollten zumindest doch ein wenig in Panik geraten und das Gefäß in eine Lage bringen, in der beide Öffnungen über dem Flüssigkeitsspiegel liegen.
Etwa fünf Mililiter ließen sich noch retten, der Rest – ich hätte nicht geglaubt, was das in Form einer hartneckig färbenden Flüssigkeit auf einer ebenen Fläche, deren Farbe eigentlich keiner Änderung bedurfte, in Verbindung mit einem kapillar überforderten Zellstoffprodukt für eine Menge ist – wurde in seiner Fortbewegung von mir ständig mißtrauisch beäugt, während allerdings meine Reaktionsmöglichkeiten stark eingeschränkt waren, da meine Hände auch eher als epidemische Verbreiter der Verschmutzung dienen würden und außerdem vollauf damit beschäftigt waren, die Tintenpatronen in brauchbare Positionen zu balancieren und auf mehrere Etappen den Inhalt aus dem Reservoir der einen (was übrigens mit einer engen Kanüle auch erstaunlich lange dauert) in die andere zu transferieren. Das diese sich etwas sträubte, weil sie kein so komfortables Luftloch erhalten hatte, überraschte mich nicht (immerhin!), trotzdem bedurfte es einiger Versuche, bis es gelang, alle beteiligten Gegenstände und Gliedmaßen in befüllgeeignete Koordination zu versetzen.
Überflüssig zu erwähnen, dass trotz großzügigen Einsatzes von Waschbenzin (auch hier kein Nebenplot mit Knalleffekt) der genaue Ort des Geschehens auch von einem Laien (egal auf welchem Gebiet) ohne Probleme gefunden werden kann, ohne danach gesucht zu haben.
Immerhin, meine fünf Seiten sind jetzt gedruckt.

Kategorie: Allgemein 3 Kommentare »

3 Reaktionen zu “Warum ich fast in der Tinte saß”

  1. Tobias Wichtrey

    Wieso gibt es keine Drucker mit festen, unbeweglichen Tintentanks, die man über eine Auffüllvorrichtung im Druckergehäuse bequem und flexibel in der Tintenwahl befüllen kann? Von den Tanks gingen dann Schläuche zum Druck-Wägelchen… Naja, von irgendwas müssen die Druckerhersteller ja auch ihr Geld verdienen.

  2. psycho

    Meine Erzeuger haben einen Drucker mit unbeweglichen Tintentanks vorne am Gehäuse, die mutmaßlich über Schläuche ein Druck-Wägelchen versorgen…
    Was aber auch nur dazu führt, dass man dort die neuen Patronen reinstopfen muss. Ich gebe zu, so aufschraub, reinschütt wäre echt klasse.

  3. Tobias Wichtrey

    Wieso müssen andere meine Ideen immer schon gehabt haben? Dann gibt es bestimmt auch schon ein Theater, bei dem die Souffleusen den Schauspielern nicht einfach einsagen, sondern bei dem die Schauspieler im Textfehlfalle zu einem Telefon auf der Bühne greifen und darüber ihren Text erfahren.


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