Archiv für April 2012


Zitat des Zeitpunkts “Vorsichtsmaßnahme”

30. April 2012 - 10:20 Uhr

Vor Sachen die man kommen sieht, sollte man im allgemeinen die Augen verschließen.
alter ego

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Marktdemokratische Staatsordnung

8. April 2012 - 12:00 Uhr

Ich möchte aus mannigfaltigen aktuellen Anlässen daran erinnern, dass das Deutsche Wirtschaftswunder zu einer Zeit stattfand, in der es hierzulande noch keine rechtliche Grundlage zum Einrichten einer Aktiengesellschaft gab. Unternehmerische Bonität und Verantwortungsbewusstheit bezifferte man entweder klar und deutlich in der beschränkten Haftung der GmbH oder drückte man damit aus, als Unternehmer mit seiner vollen Ich-Haftigkeit und auch Ich-Haftung im Unternehmen zu stecken, Wohl oder Wehe. Der theoretisch zu unbegrenztem Einkommen befähigte Unternehmer rechtfertigte dies damit, im Fehlfalle nicht nur auf seinen Bonus verzichten zu müssen, sondern im Zweifel auch auf sein Haus und sein Erspartes, außerdem Ansehen und Bonität.
Gleichzeitig wurden in der Wirtschaftswunderzeit Werte produziert. Banken überwiesen beflissentlich die Verbindlichkeiten ihrer Kunden und vermittelten dem gewillten Sparer gegen Provision in Form einer Zinsdifferenz einen Kreditnehmer mit einer guten Geschäftsidee oder einem nachvollziehbaren Rückzahlungsplan.
Durch die konzeptlose Deregulierung der sozialen Marktwirtschaft zur freien Marktwirtschaft wurden plötzlich – und nur von einigen Beteiligten sehr zielgerichtet – Möglichkeiten geschaffen, einen Wirtschaftszweig zu installieren, den es vorher so nicht gab, von dem aber auch nicht klar ist, ob er vorher gefehlt hat. Nun lernt man zusätzlich zu den drei Wirtschaftssektoren aus dem Schulbuch, dass auch noch der Beelzebub (entschuldigung, aber wir befinden uns schließlich in zeitlicher Umgebung vom christlichen Hochfest) namens (Hoch-)Finanzwirtschaft die Trinität von Landwirtschafts-, Industrie- und Dienstleistungssektor flankiert. Wie immer hat er sich durch Schmeicheln, Versprechen und Verwirren in eine Machtposition versetzt und die Garne so geschickt verwoben, dass der Gefangene sich nur immer weiter verstrickt, in seinem Versuch, sich zu befreien, ohne den bequemen Halt zu verlieren, die sie ihm vorspiegeln.
Gelegentlich scheint sein wahres Gesicht durch, auch wenn es keiner wahrnimmt: wenn es der marktwirtschaftlichen Logik folgt, dass der Staat als Aufsteller und Gewährleister der Rahmenbedingungen für das gesamte System mit einem Rettungsschirm aus Geld als ganz normaler Teilnehmer im Wirtschaftssystem eingliedern muss, um zur Justierung mal schnell hier und da einige Milliarden oder Billionen auf irgendwelche schwankenden Waagschalen zu werfen – so schnell (und auch unangekündigt), wohlgemerkt, dass auch eine demokratische Kontrolle durch das Parlament nicht möglich sein soll (was das Verfassungsgericht angenehmerweise gekippt hat)–, dann sollte der Staat der marktwirtschaftlichen Logik nicht folgen, weil diese damit selbst bewiesen hat, nicht vereinbar mit demokratischen Prinzipien zu sein. Sie liefert uns selbst die Begründungen, warum eine Demokratie nur als soziale Marktwirtschaft funktionieren kann, denn nur sie kann die nötige Austarierung schaffen, die verhindert, dass sowohl staatliche als auch im anderen Extrem eben außerstaatliche Institutionen zu viel Macht über die Individuen gewinnen, zu deren aller Dienst allein jedwedes System bestimmt sein muss.
Man sollte soziale Marktwirtschaft nicht auf die Komponente reduzieren, die gerne bestehende Ungleichheiten (in gewissem Maße) umverteilen möchte, sondern viel mehr ihre systemisch-regulatorischen Möglichkeiten begreifen und nutzen, die auch völlig ohne Umverteilung und ohne Limitierungen lediglich das Ausbrechen der Marktwirtschaft aus sozial verträglichen Grenzen. Wer immernochnicht weiß, dass auch Marktwirtschaft fein dosiert gehört, um ein stabiles System zu bilden, der hat wohl auch so einiges anderes nicht verstanden – oder eine Vereinbarung mit dem schwefelspeienden Weltverderber.

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Die Karwoche 2012

7. April 2012 - 15:00 Uhr

Der für die Bank der Künste erstellte Karwochen-Kalender, in der Tradition der vorausgehenden Karwochenserien.

Zum Montag:
Karlzium, das:
Technik, einen ungeliebten Nachbarn zum Wohnortwechsel zu bewegen. Den Beginn einer Anwendung kennzeichnet das wiederholte Aussprechen des Namens der Technik bei vielfältigen Gelegenheiten. Abhängig von der erhaltenen Rückmeldung auf die Aussprachen stellt die Technik eine breite Palette anschließender Handlungen bereit, die von subtilen Mitteln wie Benzinbrand der Rosensträucher des Nachbarn und Exkrementen im Briefkasten bis hin zu handgreiflichen Auseinandersetzungen reichen.
Die hierbei gelegentlich auftretende Bewegungseinschränkung, die von durch mineralarmen Knochenbau bedingten Frakturen herrührt, wird landläufig als Karlziummangel bezeichnet.

Zum Dienstag:
Karamel, das:
Treibstoffzusatz für die Wüstenschiffahrt. Zur Herstellung von K. wird eine aus Pflanzenmaterial extrahierte Kohlenwasserstoffverbindung durch einen weiteren Raffinationsschritt veredelt. Die hohe Energiedichte und die uneingeschränkte Gebrauchsfähigkeit in dieser Form, prädestiniert K. als Treibstoffzusatz für Wüstenschiffe, deren Leistung durch Beimischung zum Treibstoff oder durch gelegentliche, dosierte Einzelgabe kurz- bis mittelfristig gesteigert werden kann.

Zum Mittwoch:
Karsika (Insel):
K. ist die größte Insel in der Gruppe der Karnaren. Einer klimatischen Gunstlage und den besonderen karsischen Böden ist es zu veranken, dass auf K. von Zeit zu Zeit eine Monarche heranwächst, die dann wie ein aufgehender Stern über ganz Europa strahlt.
K. bildet damit den Gegenpol zur ebenfalls karnarischen Insel Karpri, wo regelmäßig die rote Sonne im Meer versinkt.

Zum Donnerstag:
Grünte, die:
In gemäßigten Breiten heimischer Wasservogel, der überwiegend ruhige Süßgewässer bevölkert und sich dort üblicherweise an der Unterseite der Wasseroberfläche aufhält.
G. haben einen bauchigen Körper, dessen – nach Art und Geschlecht unterschiedlich – farbiges Federkleid sehr dicht ist und mit einem von mehreren Hautdrüsen abgeschiedenen Sekret, dem sogenannten Grünte-Extrakt wasserdicht gehalten wird.

Illustration: Amelie auf Bank Der Künste

Im Gegensatz zu den meisten anderen Wasservögeln behält die G. im Wasser Ihren Kopf und auch den Großteil des Körpers dauerhaft unter der Wasseroberfläche, während die Beine, deren Fußzehen durch stark durchblutete Häutchen verbunden sind, meist aus dem Wasser herausragen. Eine Seite der Häutchen ist hierbei als Schleimhaut, die durch abspreizen der Zehen freigelegt werden bzw. durch zusammenpressen geschützt werden kann. Diese Schleimhaut dient dem Gasaustausch des Blutes, wodurch die G. abhängig von der körperlichen Belastung die Zeit mit Kopf unter Wasser zwischen zwei Atemzügen auf mehrere Stunden ausdehnen kann. Die andere Seite der Häutchen ist sehr ledrig und wird bei der Fortbewegung an Land belastet, die zwar ungelenk wirkt, dennoch absolut möglich ist.
Im Wasser benutzt die Grünte eine Kombination aus Segelfahrt und Rückstoßantrieb zur Fortbewegung. Die kraftvollere Fortbewegungsform ist hierbei das Rückstoßprinzip. Hierzu zieht die G. durch den geöffneten Schnabel Wasser ein, das sie anschließend bei geschlossenem Schnabel durch ein kleines Loch an dessen Spitze wieder ausstößt und damit Vortrieb in Richtung des Schwanzes erzeugt. Die durch dieses Prinzip bedingte Bewegungsrichtung hat dazu geführt, dass G.n, die sich auf etwas zu bewegen, zur Orientierung abwechselnd nach links und rechts Kreise beschreiben, um in der langgezogenen Spiralbewegung gelegentlich den Kopf in Richtung des Ziels zu richten. Kurz vor dem Objekt vollführen sie eine halbe Drehung, um mit der Restgeschwindigkeit Kopf voraus auf das Ziel zutreiben (nur leicht unterstützt von einer Bewegung der Schwanzfedern). Diese Art der Bewegung wird als Grünteln bezeichnet.
Ist ein leichter Wind an der Wasseroberfläche zu spüren, gehen G.n eher dazu über, auf diese kraftintensivere Fortbewegungsweise zu verzichten und stellen lediglich die Füße als Segel in den Wind. Hierbei bevorzugen sie meist die Bewegung in Richtung Kopf.

Zum Freitag:
Karot, der:
humanoider Omnivore, der sich trotz seiner Mischkost-Fähigkeit abgesehen von gelegentlichen Ausnahmen hauptsächlich von Wurzelgemüse ernährt. Dieses bereitet er gewöhnlich durch Vorkauen größer Mengen zu einem freinen Brei (im Fachjargon Karotensaft genannt) zu, den er dann über mehrere Tage in kleinen Schlucken trinkt.
K.en verfügen meist über eine Art ungerichteten, regellosen Spieltrieb und über nahezu keine Fähigkeit zu strukturiertem Handeln, womit sie in ihrer Umgebung für ausgeprägte Verwirrung sorgen.
K.ten leben in polygamen Bindungen, jedoch mit der Besonderheit, sich in der Öffentlichkeit meist nicht mit der ranghöheren Hauptfrau zu umgeben, sondern sich mit der Zweitfrau, der sogenannten Betakarotin, die ihm die Sehbarkeit erhöht.

Zum Samstag:
Kartee, der:
Heißwasseraufguss der Blätter des von den Merkatoren Krüger und Gauß erstmals nach Europa importierten, topographinhaltigen Navigatstrauches, die bald aus Praktikabilitätsgründen in Koordinatennetzen zu Portionspäckchen verpackt überbrüht wurden.
Der übermäßige Genuss von K. kann zu leichtem Triangulieren führen. Der verantwortliche Wirkstoff wird in den heute gängigen Sorten allerdings heraussatelliert.

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