Archiv für Februar 2013


Rotkäppchen, warum hast Du so große Augen?

28. Februar 2013 - 10:15 Uhr

Damit ich besser ins kindliche Schema passe und meinen Marktanteil bei der männlichen Zielgruppe erhöhe, indem ich an ihren Beschützerinstinkt appelliere. Aber lass uns aufhören, über meine Augen zu sprechen, Wolfgang, ich habe in meinem Körbchen auch zwei schöne Äpfel mitgebracht und wenn Du hier in deinem Treibhaus auch irgendwo eine schöne Banane und ein Paar Trauben hast, könnten wir miteinander einen leckeren Obstsalat machen.”
Doch als sie sich gerade auf die Suche machten, erfüllte ein Aufschrei Wolfgangs gläserne Behausung. Zu spät hatten sie bemerkt, dass drüben im Topf eine erhitzte Debatte am hochkochen war. Als sie dort ankamen, wo der Aufschrei seinen Ursprung hatte, war der ursprüngliche Inhalt des Topfes schon mit so sehr Luft durchsetzt, dass die eigentliche Substanz nun ein Vielfaches ihres Ausgangsvolumens ausfüllte, was das Fassungsvermögen des Topfes bei weitem übertraf. Der Schaum, der so nun vollends den ordnenden Einfluss des Topfes hinter sich ließ, begab sich nun selbst zur Quelle seiner Erhitzung, konnte aber diesen Kontakt in seiner substanzlichen Reduziertheit nicht überstehen. Doch anstatt das einzusehen, begann er, sein schaumiges Muster als bräunlich-schwarzes Geflecht in die Hitzequelle einzubrennen und dabei wie zur Unterstreichung seiner umfassenden Charakteränderung erbärmlich zu stinken.
Der Anblick dieser Katastrophe und speziell der Anruch dieser ganzen Situation stießen Rotkäppchen und Wolfgang so sehr auf, dass sie gar keine Lust mehr auf Obstsalat hatten, Wolfgang war sich auch garnicht mehr so sicher, ob sich hier eine Banane finden ließe. So machten sie sich also daran, die Sauerei aufzuräumen. Rotkäppchen ging den Topf ausspülen, während sich Wolfgang darum kümmerte, die eingebrannten Überreste des Schaumes von der Herdplatte zu kratzen.
Als Rotkäppchen am Spülbecken ankam, bemerkte sie, dass der feine Schaum beim Erkalten zu einigen wenigen größeren und irgendwie instabil wirkenden Blasen zusammengefallen war und man darunter schon wieder die dünne Flüssigkeit erkennen konnte, aus der diese Katastrophe erwachsen war, weil sie zu viel Hitze bekommen hatte. Schon als sie den Topf ausleerte, fand sie das irgendwie schade, dass sie beide nicht aufgepasst hatten, wäre doch bei pfleglicher Behandlung guter Pudding für sie beide daraus geworden.
Wolfgang dachte derweil darüber nach, dass wohl zu viel Hitze das Problem gewesen sein musste. Diese Hitzequelle würde mit ihrer unglaublichen Kraft einfach alles anbrennen, was man zu lange darauf köcheln ließe. Aber ohne Hitze lässt sich garnicht kochen, sinnierte er weiter, die Welt besteht ja – das ist zwar manchmal schade aber doch auch richtig so – nicht nur aus Salat.
In diese Gedanken hinein, sagte Rotkäppchen, die vom Spülen zurückgekehrt war zu ihm: “Hey Wolfgang, pass auf, wir waren wohl nicht ganz ehrlich zueinander: Ich hab so richtig Bock auf Schwanz und wenn Du mich immernoch hübsch findest, dann lass uns doch vögeln!”
Wolfgang willigte unter der Bedingung, vorher noch ein wenig “an den Titten spielen” zu dürfen, um wieder in Fahrt zu kommen, ein. Und wenn sie nicht gestorben sind… Halt! Etwas ist dann doch noch passiert. Beide hatten bemekt, dass die neue Offenheit, die sie sich seit dem Aufschrei abrangen, sie irgendwie daran hinderte, sich vollkommen in die Situation zu ergeben. Der Mangel an Phantasie und Abwechslung störte sie beide so sehr, dass sie nach einer Partnersitzung mit der Großmutter übereinkamen, wieder zur verspielten Art der Liebe zurückzukehren. Sie könnten sich auch so gegenseitig ernst nehmen und würden immer vorsichtig sein, den Bezug zur Realität nicht vollkommen zu verlieren auf dass ihnen der Pudding auch gelänge. So lebten sie glücklich und zufrieden. Gestorben sind sie irgendwann auch, aber sie haben glückliche Kinder und Kindeskinder hinterlassen, die weder Angst vor Treibhäusern hatten, noch jemals sorglos mit dem Obst anderer Leute umgegangen wären.
Geschrieben für Bank der Künste

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Alles ist besser mit Bluetooth

20. Februar 2013 - 12:07 Uhr

Aber wie ist das mit dem Gerät das das Gerät baut, das das Bluetooth-Gerät baut? Vielleicht ist das ein Schraubenzieher. Und vielleicht ist ein Schraubenzieher mit Bluetooth besser.
Wenn ich jetzt also ins Auto einsteige und starte, dann werden sich also künftig mein Handy streiten, wer sich an meinem Radio einloggt. Ja, ich habe ein Bluetooth-Radio und ich find es toll! Ich muss weder nach dem Handy kramen, wenns klingelt, noch überhör ichs, noch muss ich dann Strafe zahlen, wenn ichs gefunden habe und telefoniere. Und wenn ich nicht so nachlässig wäre und mal nachgesehen hätte, wie das funktioniert, würde das vielleicht auch für den Fall gelten, wo ich den Anruf initialisiere…
Nein! Zurück zum Schraubenzieher. Vielleicht wäre ein Bluetooth-Schraubenzieher sinnvoll, wenn man sich in so einem Hightech-Labor befindet und es sich um einen Drehmomentschraubenzieher handelt, der gleichzeitig während man Sachen schraubt (man sieht, ich habe mir eine immens ausgefeilte Gedankenwelt gebastelt) die Drehmomentdaten an einen PC übermittelt, der nebenher ein Messprotokoll herstellt über die geschraubten Sachen. Aber wenn ich in so einem Labor arbeiten würde, hätte ich sicher viel mehr so abgefahrene Instrumente, nicht zuletzt eine Kaffeemaschine, die ohne Gefäß auskommt, sondern den fertigen Kaffee als schwebende Kugel in einem gigantischen Magnetfeld bereithält (bei großen Feldstärken tatsächlich denkbar), während er über gezielte Laser-Impulse warmgehalten wird. Und weil ich deswegen sowieso schon über einen beträchtlichen Stromanschluß verfüge und das rumgefrickel mit Batterien hasse, wäre es mir wohl doch lieber, wenn der Drehmomentschraubenzieher und die Halbleiterfeile (hierzu werde ich mir beizeiten eine passende Geschichte überlegen, sollte die Frage auftauchen, was das sein könnte), wenn die Werkzeuge zu einer Workstation zusammengefasst würden, kleine Kabel hätten, die möglicherweise, um nicht zu stören über so Federgalgen geführt werden, damit sie von oben kommen und nicht immer auf dem Tisch rumliegen. Sonst müsste ich ständig eine Menge Knopfzellen austauschen, denn größere Batterien wären ja nicht möglich für einen feinmechanischen Schraubenzieher. Falls es jemand gerade ahnt: ich habe sowohl an Maus als auch Tastatur Kabel, obwohl ich das andere schon mal probiert habe.Was lernen wir aber aus der Bluetooth-Schraubenziehermisere über Innovation? Dass sie toll ist, die Triebfeder vieler toller Sachen, Ideen, die Ideen schaffen. Und dass Innovation verdammt viel Müll schaffen kann, weil sie einen auch etwas bedrogt, weil man sich in Dinge verliebt, dadurch blind wird und Mist baut, und das, obwohl man mit den meisten neuen Dingen nicht mal Sex haben kann. Ich korrigiere: will. Ich korrigiere nochmal: zumeist, üblicherweise.
Oh, schöne neue Welt der Sexspielzeuge und der political Correctness, in der Leute, die Dinge lieben ganz normal sind, es werden die Gewißheiten knapp und die Allgemeinaussagen dampfen auf ein unerträglich unsicheres Minimaß zusammen!
Zurück zu etwas Neuem: auch inzukunft werden manche Bäume mit Äxten gefällt, werden Gemüse mit Messern geschnitten, werden elektronische Geräte mit warmen Metallstücken, genannt Lötkolben, gelötet, wird heiße Luft nach oben steigen und werden Kinderwägen bergab rollen. Warum ich letzteres erwähne? Weil manche versuchen, Rauchgase eines Feuers nach unten abzuziehen, andere mittels bremsenden Bodenbelags Schieflagen an Bahnsteigsplänen in den Griff zu bekommen.
Und bevor ich jetzt ins reaktionäre abdrifte, möchte ich noch eins klarstellen: man KANN Bahnhöfe in die Erde verlegen (ich war auch schon in so einem), aber der sollte viellicht im Übrigen den üblichen Vorgaben für Bahnhöfe entsprechen. Ist das gewährleistet und will man es dann aus anderen Gründen trotzdem noch, dann SOLLTE man es vielleicht auch tun.
Vielleicht schaffen wir es ja irgendwann, aus Einsichten von Jahrhunderten des rasanten Fortschritts seit spätestens der industriellen Revolution, aus dem Reigen der ständigen rücksichtslosen und kurzsichtigen Neuerungen echte In-Novation zu schaffen und Neues ins Bestehende hineinzusetzen.
Erstveröffentlichung in der Bank der Künste

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