Kategorie: Politisches


Maut-Pläne

9. Juli 2014 - 00:50 Uhr

Nachdem der Postillon meinen Vorschlag offenbar nicht wollte, den ich ihm gestern Nacht aufgrund eines spontanen Geistesblitzes (eine weitere Wortverkettung verkneife ich mir an diese Stelle) geschickt habe, veröffentliche ich das hier mal unaufgearbeitet:
Dobrindts Maut-Vorschlag
Die Planungen sehen vor, dass die Vignette für ausländische Fahrzeuge ein Stern aus zwei gelben seitenverkehrt ineinanderliegenden gleichschenkligen Dreiecken besteht. Gelbe Sterne stehen ja bereits auf der europäischen Flagge für die Einzelstaaten der Gemeinschaft. Innerhalb der knappen Vorbereitungsfrist konnte noch kein Symbol für die
Vignette von in Deutschland zugelassenen Kraftzeugen gefunden werden. Dobrindt deutete an, er denke dabei aufgrund der Eigenschaft Deutschlands als zentrales Transitland und in Anlehnung an den Stern für Auslandeuropäer an eine Art Sonnensymbol, das gleichzeitig an Deutschland als das Mutterland der Autobahnen erinnere.
Man möge sich eine Einbettung in eine aus einer anderen Richtung kommenden Einleitung vorstellen, außerdem ein paar Spitzen auf Seehofer und Polemik in München, wobei vermutlich das Wort Staatskanzlei fallen werden muss, weil es nach meinem Gefühl nahe genug heran fährt an die Sprachmelodie, die das Ganze hinreichend vor- oder nachbereitet. Je nachdem, wie man es hinkriegt.
Zu vermeiden wäre – man hat schon genug mit dem Feuer unangebrachter Nahelegungen gespielt – Dobrindt als den “Organisator der Deutschland-Maut” zu bezeichnen. Er trägt zwar auch eine Hornbrille und setzt irrwitzige Vorgaben gewissenhaft um, allerdings ist bis dato nicht zu klären, ob er sich aus beruflichen Gründen beispielsweise nach Argentinien oder Israel umorientieren würde, sollte es die Situaton erfordern.

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Nummernkonten

12. Dezember 2012 - 23:08 Uhr

Ich bin nicht sicher, ob ich schon mal über das Schweizer Schwarzgeld gesprochen habe, trotzdem ist mir ein Lichtlein aufgegangen, das ich für teilenswert halte: je nachdem, wen man fragt oder liest, wird einem entweder mitgeteilt, dass mit dem Abkommen die Steuersünder mehr oder eben weniger für ihr hinterzogenes Geld zahlen, als sie müssten, wenn sie sich anzeigten.
Natürlich sind diejenigen der ersten Version der Schäuble und diese Schlumpf-Ministerin aus der Schweiz und beide halten es für unmöglich, jemals einen besseren Vertrag machen zu können. Leider glaub ich weder das, noch denen überhaupt etwas (also von der Schlümpfin weiß ich das nicht, aber ich nehme es mal an). Darum glaub ich gern den anderen und hab mir auch meine Gründe zusammengesucht, damit ich mich damit wohl fühle.
Erstens weiß ich nicht, wie man anonym Steuern eintreiben soll. Ehrlich nicht. Aber ich hätte dafür relativ bald die Idee, dass man vielleicht die Anonymität nutzen könnte, um Steuern nicht abzuführen, weil wenn der eine nicht schauen darf, entscheide ich ja, was ich zeige.
Zweitens: wenn man sich drüber streiten kann, ob die Pauschbesteuerung zu zu kleinen Besteuerungen führen kann, könnte man sie auch einfach erhöhen. Denn wenn ich schon eine Amnestie mache, so als Gesellschaft meine armen Reichen wieder in die Arme nehme und ihnen sage, sie können mit dem gestohlenen Geld jetzt auch wieder uns daheim über den Tisch ziehen, dann kann ich doch wohl die Regeln dafür selber machen und muss nicht Angst haben, ihnen zuviel abzunehmen, dass sie das nicht als Strafe wahrnehmen. Warum das der Schäuble nicht will, weiß ich nicht, er sagts mir auch nicht, darum glaub ich es ihm nicht. Die Schweizerin schützt ja wenigstens die Grundlage eines ihrer Wirtschaftszweige. Falls das der Schäuble auch tut – ach, wenn er das nur sagen würde! – dann würden wir endlich erfahren, warum die Sozialschmarotzer, die die Gesellschaft benutzen wollen, trotzdem aber nicht deren Teil sein wollen soo wichtig für uns sind.
Drittens kaufe ich gerne weiterhin CDs. Gut, ein kleinwenig ein Hoheitsrechtsverletzungsgschmäckle hat es schon, aber das hat das mit dem Steuerhafen auch. Gut, wir haben das Geld ja selber durch die Grenze gewunken oder garnicht danach gesucht, trotzdem ist es ja unstrittig unseres und der Vertrag ändert auch nichts daran, dass Kapital in Form von Geld viel zu mobil ist. Und diese konzeptionelle Widersinnigkeit des Systems des freien Kapitalverkehrs löst so ein Kuhandel auch nicht, aber da er ja leider alternativlos ist, ist mit den zwei Beteiligten ja nicht an eine Bearbeitung eines der echten Probleme zu denken. Dann möchte ich ihnen aber auch verwehren, so zu tun, als sei das Problem gelöst.
Ich glaube, diese Drei Punkte reichen vorerst.

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Abschied von Buch IV

15. August 2012 - 23:46 Uhr

Mit dem morgen um 17:59 auf der Bank der Künste erscheinenden Beitrag über das brennende Kind, der schon zur Hälfte in Buch V steht, hat auch mein 4. Notizbuch seine Schuldigkeit getan und darf – leicht gebläht von Korrekturfahnen und insgesamt etwas aus der Form gewalkt und geblättert – seinen Reservedienst im Regal bei den anderen antreten. Es verbleiben noch einige Fragmente, die ich nicht oder noch nicht weiter bearbeitet habe oder vielleicht sogar verworfen oder die als Notiz schon ihre Pflicht getan haben und die ich trotzdem als Fragment verkleide. Ich blättere also nochmal durch und verhelfe ihnen zu ihrem recht:

Warum darf man nicht auf die Treppen
…fragte ich mich in Berlin an einem Mittwoch vor dem Reichstagsgebäude vor einem Jahr etwa. Wenn man nicht mal mehr auf einige zehn Meter an das Parlamentsgebäude rankomme, dann erweckt genau das ein merkwürdiges Gefühl, das viel realer ist, als irgendsoein potenzieller Terrorist (dessen explosiven Schuh ich mir offenbar anziehen soll).

jetzt hab ich zwei Typen mühevoll in den Nachtbus bugsiert, um festzustellen, dass sie damit nicht fahren wollten; zumindest stiegensie, nachdem sie bezahlt hatten, wieder aus.
krakelte ich wohl ebenso mühevoll in das Buch, als ich mich am 8.9.11 um 26:42 mit des Professors Aussage zur Öko-Frage beschäftigte.

Hornbrillen: Brillen haben und nicht zu tragen, ist wohl die beständigste Mode.
…das ist scharf beobachtet, was in diesem Zusammenhang schwer fallen könnte.

Unverletzlichkeit der Wohnung
(Online-)Durchsuchung
Zwangsblutentnahme
Richtervorbehalt.
…darüber sollte ich mich wohl mal ausführlicher auslassen, um herzuargumentieren, was ich schrecklich offensichtlich und für knapp ausdrückbar halte. Zum ersten Paar: ich sehe keinen Unterschied zwischen einem Ordner in meinem Schrank und auf meiner Festplatte. Nur auf richterlichen Beschluss darf das einer ansehen, dem ich es nicht freiwillig erlaube. Zum zweiten Paar: nur weil wegen Richtermangels die richterlichen Genehmigungen zur Zwangsblutentnahme bei Alkoholkontrollen meist ungeprüft richterlich angeordnet werden, ist es nicht angezeigt, den Richtervorbehalt dafür aufzuheben. Dieser Sachverhalt bietet noch einen zweiten Lösungsansatz…

Grünfink, das…
…muss ich noch zurückhalten. Solche sieht man gelegentlich kurz vor Ostern.

6.12.12 20:34 Strenggenommen geht es mich nix an, wer Herrn Wulffs Haus bezahlt hat. Strenggenommen darf Herr Wulff auch nicht in meinem Namen mit einem ausländischen Staatschef reden oder darüber befinden, ob ein Gesetz, das meine Volksvertreter gebastelt haben, verfassungskonform ist oder nicht. Strenggenommen.
Aber Herr Wulff ist Bundespräsident. Er ist mein oberster Staatsdiener, ich gebe ihm Macht, ich gebe ihm Geld und Autorität und verlange na
…ich hatte zu dem Thema lange geschwiegen, weil man ja fast täglich noch eine Abstrusität aus seiner prätentiösen Vita aufgetischt bekam und er garnicht nachkam, eine Salami nach der anderen aufzuschneiden; aber nun erhält er ja seinen Ehrensold, obwohl er aus privaten Gründen zurückgetreten ist. Ich hatte den Versuch unternommen, etwas zu schreiben, aber ich wollte nicht schon wieder Banalitäten predigen. Einmal jemanden finden, der sich nicht wichtiger nimmt als seinen Job, einmal jemanden, der aufgrund seiner Persönlichkeit politische Ehrenämter einnehmen darf und nicht als abgewetzter Parteisoldat. Und wenn schon so, dann einen, der klug genug ist, nicht so doof zu sein, dass ich vor lauter Wut nicht weiß, ob ich schreien oder kotzen soll!

Steuerpatente -> Tantieme auf Steuer
…eigentlich wäre diese Idee schon patentreif: Patente auf Steuererhebung auf potentiell besteuerbare Sachen anmelden. Die Frage ist, wenn ich ein Patent anmelde auf die zum Beispiel Besteuerung von Batterien. Muss mir dann der Staat Lizenzgebühren zahlen, sollte er im Zuge irgendwelcher ökologischen Maßnahmen eine Sondersteuer auf Batterien erheben?

Gefährdung der Freiheit von Wissenschaft und Kultur durch Orientierung rein an wirtschaftlichen Maßstäben
auch was interessantes, das ich mal weiterverfolgen sollte (es handelt sich übrigens um eine Notiz zu etwas, was ein Teilnehmer – ich glaube sogar es war der Gewinner – des letzten Philosophy-Slams im Rathaus gesagt hat), grob beispielhaft umrissen: wenn man die Förderung der Wissenschaft an wirtschaftlichen Maßstäben ausrichtet, wird man lauter naturwissenschaftliche Fächer (und auch dort nicht alle) ernten. Dies – ja jetzt schon der Fall – führt zu einer Benachteiligung geisteswissenschaftlicher Disziplinen und verschiebt mittel- bis langfristig die gesamte Kulturelle Basis der Gesellschaft. Insbesondere stellt sich auch die Frage, ob die Grundgesetzliche "Freiheit von Wissenschaft und Kultur" vor dem Hintergrund, dass sie sich finanziell unter bestehenden Rahmenbedingungen nicht selbst tragen können, eventuell sogar gebietet, diese besonders zu fördern.

Geld
Tauschwert <-> Gebrauchswert
…<-> Lagerwert. Übrigens auch noch eine Notiz aus dem Philosophy-Slam. Die leidige Geldkiste muss auch noch ein wenig angeplappert werden, bis klar ist, was jedem klar ist, der nicht die Geldwissenschaften studiert und/oder mit dem Teufel kopuliert: mit Geld kann man keinen Wert schaffen. Sollte also Geld Wert symbolisieren, darf Geld nicht mehr Geld erzeugen können. Falls dem so ist, ist das System fehlerhaft und sollte nachgebessert werden. Bei schwingenden Systemen mit großen Ausschlägen, die in resonanten Fällen zu Katastrophen führen, ist eine geeignete Dämpfung das Mittel der Wahl. Wer einem ausgelenkten Pendel zur Beruhigung einen Schubs in die andere Richtung gibt, ist ein Idiot.

Es ist, als hätten alle den Verstand verloren, sich zum Niedergang und zum Verfall verschworen, und ein Irrlicht ist ihr Leuchtfeuer geworden.
…aus Reinhard Meys Narrenschiff. Da habe ich scheinbar meinen neuen Füller getestet (den ich natürlich inzwischen verloren habe – nicht natürlich, weil ich ständig Füller verliere, sondern natürlich, weil das mein bislang teuerster war und der erste mit dem ich so richtig glücklich war), ich habs mal hier mit abgetippt, weil es so gut zum vorigen passte.

Kaugummikauen und Klavierspielen: blättern müssen, Finger lecken, Kaugummi hängenbeiben, Seite rausreißen.
…Slapstick fasziniert mich, darum muss ich solche Szenen sammeln. Auch für den Film, den wir seit der 7. Klasse drehen wollten, wo ist eigentlich das "Drehbuch" dazu, das wäre voll von solchen Sachen. Ich erinnere mich noch an den Typen, der aus unerfindlichen Gründen irgendwo runterfällt und den ganzen Film hindurch immer wieder gezeigt wird, wie er ständig weiter fällt.

Die Contemplanierraupe.
…daraus lässt sich bestimmt was machen. Einfachste Anwendung wäre in einem meiner religionskritischen Texte als Beiname für einen konservativen Geistlichen. Allerdings würde ich den Begriff gerne positiv besetzen, weil ich mir so eine Contemplanierraupe auch recht putzig vorstellen könnte.

Vielen Dank, mein liebes Buch! Vielen Dank, werter Leser!

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Präpuz

6. August 2012 - 01:00 Uhr

Vielleicht hätte ich da vor einiger Zeit noch anders darüber geschrieben, aber nun gebe ich das folgende Votum (ob es deren ein eindeutiges wird, wage ich noch selbst zu bezweifeln) ab, ohne zu vergessen, mit einem Schlenker des Unverständnisses über meine kulturelle Tradition herzuziehen.
Da gab es also tatsächlich ewige Konzferenzen, in denen erhitzt bis erregt diskutiert wurde von den katholischen Geistlichen, was nun mit dem allerheiligsten Präputium passiert sei, nachdem der Erlöser der Welt (angesichts des aktuell wieder herrschenden Chaos’ ist es schon spannend, dass diese Kirche es immernoch einigermaßen schafft, die Spannung zu halten, den Christenmenschen nach bereits erfolgter Erlösung auf eine weitere warten zu lassen und so noch alle Einsätze im Spiel zu behalten) mit unversehrtem Leib auferstanden war. Bedeutete "unversehrt" nun mit oder ohne Vorhaut? Und wenn ohne, wie viele und welche dieser Lederringreliquien, die in diversen Schreinen über die gesamte Christenheit verteilt waren, waren dann die echten und machte das die anderen unecht? Und wenn mit, ist dann die Echte von dort, wo sie vorher war (mir fehlt leider diesbezüglich das Wissen um den traditionellen Weiterverbleib des Circumcisionsreliktes) verschwunden? Und würde "unversehrt" dann angesichts dieser Beschneidungsregelung nicht weit über das gängige Hippie-Image dieses Jesus Christ hinaus merkwürdige Konsequenzen für seine Kopfbehaarung, Finger- und Zehennägel resultieren?
Nunja, wie die das auch gelöst haben, jedenfalls hat der Hippie schon durch sein Weltendeantäuschen dafür gesorgt, dass wir uns diese Gedanken nicht mehr für unsere eigenen Körperteile machen müssen, außerdem sind wir eh viel aufgeklärter geworden, allerdings müsste ich da sicherheitshalber vorher nochmal nachsehen, ob heliozentrische oder quantenmechanische Ketzereianteile in meinem Weltbild mich nicht bei Strafandrohung verbieten, in irgendeiner qualifizierten Form über meinen Kirchensteuerempfänger auszusagen. Aber als kleines Friedensangebot verkneife ich mir vorerst Meditationen über die Wechselwirkung von Haut- und Latexüberzügen oder Alleg(r)oriegebilde über Glans und purpurnes Soli-Deo-Käppchen, mit dem der Priester feierlich in die Absis eindringt.
Leider kann mir dieser große kulturelle Hintergrund – trotz oder wegen – des Vorkommens der Beschneidung in sich selbst in der aktuellen Diskussion nur wenig helfen. Darum muss ich wohl doch erstmal die Aufgeklärtheit (ich meine hier natürlich die im Sinne der epochalen Strömung und nicht die bezüglich Latex und Tampons) konsultieren. Und nachdem ich nach anfänglichem Meiden des Themas doch einiges dazu gelesen habe, habe ich mir sachlich folgende Position zurechtgelegt: Beschneidung ist überflüssig aus hygienischen Gründen (abgesehen von Sonderfällen); Beschneidung ist medizinisch notwendig in bestimmten Fällen; bei fachgerecht durchgeführten Beschneidungen ist das ein recht kleiner Eingriff (chirurgisch betrachtet) mit geringem Risiko, allerdings bleibt es dabei, dass eine unbegründete Beschneidung durch Schaffung des Risikos folglich das Gesamtrisiko erhöht und im schlechten Falle die Komplikationen in ausgeprägter Weise unangenehm sein können; ein Verbot der Beschneidung aus religiösen Gründen muss wohl zwangsläufig zu einer Verschiebung des Eingriffs in hygienisch und medizinisch unvorteilhaftere Gefilde nach sich ziehen.
Soweit sachlich. Aber diese ganze Aufklärerei neigt ja auch gerne dazu, Züge religiöser Eiferei anzunehmen, weswegen sie nicht unreflektiert verbleiben sollte: Religionsfreiheit, was sag ich, auch Freiheit der Weltanschauung, ist ein verdammt wichtiges Grundrecht. Das mit der körperlichen Unversehrtheit auch. Das muss irgendwie beides geschützt werden. Und die Kinder müssen auch irgendwie rausgeholt werden aus irgendwelchen Asofamilien wo sie verwahrlosen und weder Pflege noch Bildung erfahren.
Aber trifft das hier zu? Ist der Eingriff Körperverletzung? Schlimmer als abendliches Alkoholprügeln des Nachwuchses oder gleich schlimm? Und wie is des, wenn mich die Mama immer nur mit den angesagtesten Babybreis füttert und sich nach Jahren rausstellt, dass man da doch von etwas wichtigem zu viel oder zu wenig drin hatte und ich mich also hätte doch noch idealer entwickeln können?
Das ist doch alles garnicht vergleichbar, könnte ich sagen, aber ich könnts trotzdem versuchen: sie tun’s alle irgendwie eventuell ohne besseres Wissen und trotzdem darf ich unterschliedlich reagieren: manche meinens gut und manche meinen nur wenn man Glück hat überhaupt etwas. Und wenn man der Meinung ist, man ist das seinem Kind für dessen Seelenheil schuldig, dann muss sich der Staat vorerst raushalten, wenn er sein Religionsfreiheits- und Privatheitsschutzgerechte etwas ernst nimmt, zumal das Risiko vertretbar ist. Das heißt nicht, dass er nicht gelegentlich sagen kann, wie sich diese Sache aus medizinischer Sicht verhält, dass er nicht versuchen kann, in der Religionsgemeinschaft eine gewisse Liberalisierungsdiskussion loszutreten durch fachliche Information. Aber entscheiden müssen das die Betroffenen. Und – auch wenn man es gerne anders haben wollte – Entscheidungen von diesem Ausmaß treffen die Eltern für ihr Kind, zumindest, solange ihr kultureller Hintergrund das ausdrücklich verlangt.

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Marktdemokratische Staatsordnung

8. April 2012 - 12:00 Uhr

Ich möchte aus mannigfaltigen aktuellen Anlässen daran erinnern, dass das Deutsche Wirtschaftswunder zu einer Zeit stattfand, in der es hierzulande noch keine rechtliche Grundlage zum Einrichten einer Aktiengesellschaft gab. Unternehmerische Bonität und Verantwortungsbewusstheit bezifferte man entweder klar und deutlich in der beschränkten Haftung der GmbH oder drückte man damit aus, als Unternehmer mit seiner vollen Ich-Haftigkeit und auch Ich-Haftung im Unternehmen zu stecken, Wohl oder Wehe. Der theoretisch zu unbegrenztem Einkommen befähigte Unternehmer rechtfertigte dies damit, im Fehlfalle nicht nur auf seinen Bonus verzichten zu müssen, sondern im Zweifel auch auf sein Haus und sein Erspartes, außerdem Ansehen und Bonität.
Gleichzeitig wurden in der Wirtschaftswunderzeit Werte produziert. Banken überwiesen beflissentlich die Verbindlichkeiten ihrer Kunden und vermittelten dem gewillten Sparer gegen Provision in Form einer Zinsdifferenz einen Kreditnehmer mit einer guten Geschäftsidee oder einem nachvollziehbaren Rückzahlungsplan.
Durch die konzeptlose Deregulierung der sozialen Marktwirtschaft zur freien Marktwirtschaft wurden plötzlich – und nur von einigen Beteiligten sehr zielgerichtet – Möglichkeiten geschaffen, einen Wirtschaftszweig zu installieren, den es vorher so nicht gab, von dem aber auch nicht klar ist, ob er vorher gefehlt hat. Nun lernt man zusätzlich zu den drei Wirtschaftssektoren aus dem Schulbuch, dass auch noch der Beelzebub (entschuldigung, aber wir befinden uns schließlich in zeitlicher Umgebung vom christlichen Hochfest) namens (Hoch-)Finanzwirtschaft die Trinität von Landwirtschafts-, Industrie- und Dienstleistungssektor flankiert. Wie immer hat er sich durch Schmeicheln, Versprechen und Verwirren in eine Machtposition versetzt und die Garne so geschickt verwoben, dass der Gefangene sich nur immer weiter verstrickt, in seinem Versuch, sich zu befreien, ohne den bequemen Halt zu verlieren, die sie ihm vorspiegeln.
Gelegentlich scheint sein wahres Gesicht durch, auch wenn es keiner wahrnimmt: wenn es der marktwirtschaftlichen Logik folgt, dass der Staat als Aufsteller und Gewährleister der Rahmenbedingungen für das gesamte System mit einem Rettungsschirm aus Geld als ganz normaler Teilnehmer im Wirtschaftssystem eingliedern muss, um zur Justierung mal schnell hier und da einige Milliarden oder Billionen auf irgendwelche schwankenden Waagschalen zu werfen – so schnell (und auch unangekündigt), wohlgemerkt, dass auch eine demokratische Kontrolle durch das Parlament nicht möglich sein soll (was das Verfassungsgericht angenehmerweise gekippt hat)–, dann sollte der Staat der marktwirtschaftlichen Logik nicht folgen, weil diese damit selbst bewiesen hat, nicht vereinbar mit demokratischen Prinzipien zu sein. Sie liefert uns selbst die Begründungen, warum eine Demokratie nur als soziale Marktwirtschaft funktionieren kann, denn nur sie kann die nötige Austarierung schaffen, die verhindert, dass sowohl staatliche als auch im anderen Extrem eben außerstaatliche Institutionen zu viel Macht über die Individuen gewinnen, zu deren aller Dienst allein jedwedes System bestimmt sein muss.
Man sollte soziale Marktwirtschaft nicht auf die Komponente reduzieren, die gerne bestehende Ungleichheiten (in gewissem Maße) umverteilen möchte, sondern viel mehr ihre systemisch-regulatorischen Möglichkeiten begreifen und nutzen, die auch völlig ohne Umverteilung und ohne Limitierungen lediglich das Ausbrechen der Marktwirtschaft aus sozial verträglichen Grenzen. Wer immernochnicht weiß, dass auch Marktwirtschaft fein dosiert gehört, um ein stabiles System zu bilden, der hat wohl auch so einiges anderes nicht verstanden – oder eine Vereinbarung mit dem schwefelspeienden Weltverderber.

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Troja

17. Oktober 2011 - 19:36 Uhr

Jetzt muss ich mal ran und das mir Wichtigste in Kürze zusammentragen: Dieser Fall ist deswegen so schön, weil sich die Beschuldigten nicht mal ansatzweise mit der Technik auskennen und wohl auch deswegen so planlose Breiumredungen machen, bei denen sie sich regelmäßig verplappern. Salamitaktik funktioniert halt nur, wenn man selbst die Salami hat.
Nun aber die brühwarme Mischung aus Fakten und meinen Überzeugungen: alle Verantwortlichen gehören, speziell die Weisungsgebenden, gehören ausnahmslos vor Strafgerichte gestellt und auch verurteilt, denn sie haben wissentlich Bürgerrechte gebrochen und damit auch reguläre Gesetze und Gerichtsentscheidungen mit Gesetzescharakter ignoriert. Gerade das Vorhandensein letzterer beseitigt das eventuelle Grauzonenargument und Unwissenheit kann mit steigender Position immer weniger vor Strafe schützen. Da es sich um einen rechtsstaatlich-demokratischen Präzedensfall (gemeint ist ein echter Rechtsstaat) handelt, verzichte ich ausnahmsweise auf die Forderung nach sofortiger Exekution der genannten Personen. Ein kleiner Dank an dieser Stelle an die Piraten, die sich um die Strafanzeige gekümmert haben, bleibt abzuwarten, wie viele Formfehler die strafvereitelnden Behörden in das Verfahren einpflegen können.
Schwere gewinnt die Übertretung, indem das Schweregebot ignoriert wurde, das Trojanereinsatz nur in empfindlich-rechtsstaats-gefährlichen Fällen gestatten sollte; eben um auch durch den sonstigen Nichteinsatz den Rechtsstaat nicht zu gefährden (aber solche Feinheiten können von Ministern und Ermittlungsbehörden nicht erkannt werden und weil erstere die Zahl der Ermittlungsrichter kontrollieren und damit rückwirkend die Zeit pro zu entscheidendem Fall shapen, haben letztere offenbar auch Probleme damit).
Eine Mischung aus scheiße peinlich, scheiße blöd und einfach scheiße ist dann auch, mit wie wenig Sachverstand (oder brachial-doofer Rücksichtslosigkeit) vorgegangen wurde, bei der Besorgung und der Bewertung der Software. Sich einen Trojaner zu basteln (oder zu kaufen), dessen Ergebnisse keiner Beweismittelprüfung (zumindest in technisch-versierter Hinsicht) standhalten würden, weil die Beweismittel über die USA zwischenversand wurden (und dort verändert werden konnten), weil die mäßig verschlüsselte Kommunikation jederzeit zulässt, dass andere Rechner so tun, als wären sie der ausgespähte Rechner (und somit eh was ganz anderes abliefern könnten), weil die im Trojaner angelegte Nachladeroutine sowieso jedem (und unverschlüsselt!) ermöglicht, eventuelle Beweise auf den infizierten Rechner unterzuschieben, deutet auf scheiße blöd. Dass der Code für diese definitiv verbotene Nachladefähigkeit als einziger fein säuberlich über den ansonsten leichter nachvollziehbaren Code verteilt wurde, so dass man ihn auf den ersten Blick nicht erkennen kann und vielleicht beim zweiten übersieht, wirkt wiederum brachial-doof rücksichtslos. Und schon zuckt mein Exekutionsfinger wieder.
Ich sehe einfach keine brauchbare Möglichkeit an Kommunikation zu kommen, die angreift, bevor durch Übertragung die Kommunikation erst eingeleitet wird, denn entweder kann man stattfindende von vorbereitender Kommunikation nicht unterscheiden oder man kann hinterher nicht unterscheiden, ob jetzt die Kommunizierenden kommuniziert haben oder der Lauschende sich was zusammengelauscht. Das ist ein inhärentes Problem, das man nunmal akzeptieren muss. Aber ich gebe gern nochmal Nachhilfe bezüglich des Kommunikationsmodells:
Wenn ich denke “ihr Arschlöcher!”, dann ist das keine Kommunikation (kein Sender). Wenn ich jetzt gerade tippe “ihr Arschlöcher!”, dann ist das keine Kommunikation (kein Empfänger). Aber jetzt drücke ich dann auf veröffentlichen drücken, damit sende ich Code durch ein Medium zu sowohl bestimmten als auch unbestimmten Empfängern. Jetzt ist es Kommunikation. Ihr Arschlöcher!

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Wahlgesetz

3. Juli 2011 - 02:45 Uhr

Die Regierung, die – zugegeben, wie jede andere auch – eine Steuervereinfachung anstrebt (lustigerweise diese auch von einem ihrer ehemaligen Wahlkampfzugpferde auf dem Silbertablett präsentiert bekommt), diese dann – mein persönlicher Zukunftstip; falls jemand Interesse hat, ich würde hierauf große Summen wetten – nichtmal ansatzweise umsetzen wird, muss sich, da sie verbrieftermaßen illegal gewählt wurde, um ein neues Wahlrecht kümmern. Das ja schon ein guter Anfang für einen Treppenwitz, ist die nächste Stufe: sie bringt kurz vor Ablauf der Frist (wohlgemerkt der Frist zur Abgabe des gesetzgebungsmäßig abgeschlossenen, geprüften und konsensuierten Gesetzes) einen GesetzesANTRAG in die Nickmühle (gemeint ist der Deutsche Bundestag; Anmerkung des redigierenden Autors) ein, der offenbar eine Verschlimmerung der Verhältnisse nach sich zöge. Zuletzt also gewählt: Miss Verhältnisse.
Ich bitte darum, den letzten Satz noch zweimal zu denken, ich finde es lohnt sich. Gut, es war ein Satzfragment, ich sah mich nicht imstande, die Numerusthematik eleganter mit der Sachthematik zu verknüpfen. Mea Culpa?
Nein. Denn es hätte ja nicht so sein müssen. Mir muss erst noch einer erklären, warum ich dafür verantwortlich sein soll, dass ein weiteres Mal schlicht handwerklich schlecht gearbeitet wird in der Gesetzgebung. Und das ist noch gnädig. Andernfalls müsste man Vorsatz unterstellen, denn von den inzwischen eben verfassungsrechtlich admonierten Überhangmandaten profitieren ja momentan überwiegend – Überraschung! – Unionspolitiker.
Wie? Ein weiteres Mal handwerklich schlecht? Ich erinnere nur noch einmal an die Grandiosität, dass die Idioten bei einer der regelmäßigen Modernisierungsrunden des Straßenverkehrsrechts (es mussten mal wieder neue Designs für die Schilder her) in der Eile – sowas muss ja schließlich wahnsinnig schnell gehen – vergessen hatten zu erwähnen, dass die alten natürlich auch noch gelten. Daraufhin konnten Parksünder im Knöllchenfalle gegen die Gemeinde klagen, wenn sie vor einem Parkverbotsschild mit der herzförmigen Pfeilspitze campierten, und bekamen recht. Bis man, während man überlegte, wie man das aus der Welt schaffen könnte (man dachte an eine Art Ausstieg aus dem Ausstieg aus den alten Schildern), feststellte, dass aus einem Formfehler im Gesetzgebungsverfahren (!) die Novelle sowieso ungültig war – Tadaa! Und schon wieder musste man sich fragen: sind die tatsächlich nur wahnsinnig blöd oder bauen die bösartig geniale Hintertürchen…?
Ich entschuldige mich für den Exkurs, aber das war zu Illustration wichtig, denn ich erahnen schon wieder so einen Coup. Nur dass diesmal streng genommen unsere gesamte Demokratie auf dem Spiel steht. Denn käme es zu einer Wahl (einer möglicherweise vorgezogenen, weil sich einer der beiden regierenden Koalitionspartner in gelben Rauch auflöst), wäre diese momentan verfassungswidrig, folglich jedes danach beschlossene Gesetz obsolet, blöderweise auch ein neues Wahlgesetz, ein Teufelskreis. Das gilt strenggenommen auch für den Fall, dass es tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode zu einem neuen Wahlgesetz kommt, dass mindestens so schlecht ist, wie das beanstandete. Ich bin lediglich gespannt, ob dann das BVerfG endlich mal ordentlich auf die Kacke haut und endlich mal in der Politik eine Art Unterscheidung zwischen fahrlässig und mutwillig trifft und die ganze Mischpoke heimschickt.
Ceterum censeo: Wie ich schon öfter erwähnte, ich mag die Dualität zwischen Mehrheits- und Verhältniswahlrecht in unserem System. Das verhältnis-dominierte funktioniert offenbar schon rein mathematisch nicht richtig (zumal mit den beknackten Landeslisten). Das Problem ist gelöst, wenn die Hälfte der Sitze so, die andere so vergeben wird. Wenn wir dann noch die Direktstimme (Erststimme, gleichzeitig auch Regionalstimme) vom Parteienwust entkoppeln, können wir noch dazu die Unabhängigkeit der Abgeordneten massiv stärken. Letzteres klingt erstaunlich erstrebenswert, nicht wahr? Man sollte sich aber vor Augen halten, dass wir angeblich schon eine absolute Gewissensfreiheit unserer Abgeordneten haben.
Und dieses Wahlrecht gehört dann ins Grundgesetz. Es ist eine grobe Fahrlässigkeit unserer Gründungsväter, jede einfache Mehrheit am Rückgrat der Demokratie nach Belieben rumfrickeln zu lassen. Es ist zwar schön, mit 18 gewählt haben zu dürfen; ein fader Beigeschmack bleibt allerdings, wenn man bemerkt, dass die Koalition, die das ermöglicht hat wiederum damit nur anhand demographischer Prognosen ihre Chancen auf Wiederwahl vergrößern wollte…
Ein letztes noch zu Fahrlässigkeit, Mutwilligkeit und auf die Kacke hauende Verfassungsgerichte. Sanktionen! Es muss doch möglich sein, anhand von Protokollen nachzuvollziehen, wer wann und wie oft Anträge abgelehnt hat, die eine rechtzeitige Wahlrechtsdebatte einleiten wollten; es ist auch bekannt, welche Gremien die Tagesordnung beschließen. Bestrafen: persönlich oder parteilich, pekunär oder ideell. Recherchiert ein so angesehenes Gericht und befindet beiläufig, dass diese oder jene Personen oder Parteien oder Fraktionen oder Institutionen für die Verzögerung (mit)verantwortlich waren, hätte das nach meinem Dafürhalten durchaus einen Effekt, selbst, wenn es alle beträfe.

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Schleichender Sittenverfall

5. April 2011 - 03:33 Uhr

Gut, schleichend ist das nicht mehr, Sitte ist ein antiquiertes Wort, aber immerhin: dass das Parlament seine Aufgabe nicht mehr erfüllt und mittels ergebnisoffener Debatten und unabhängigen Abgeordneten als gesellschaftsabbildendem Querschnitt ein Bindeglied zwischen fachlicher Politik und gesellschaftlichen Meinungsbefindlichkeiten herzustellen eingestellt hat, ist ja bekannt. Es treffen sich lieber ein paar Parteichefs, handeln was aus und lassen die 600 dann abnicken. Dass diese systemwidrige Verselbstständigung von Abläufen üblicherweise als “politische Spielregeln” abgetan wird, ist auch wahr, keinesfalls neu und auch dieses neuerliche Beispiel nicht überraschend, ich möchte es aber trotzdem als Facette in mein schon länger entstehendes Bild hinzufügen.

Westerwelle tritt also nicht wieder als Parteichef an. Das ist in Ordnung, das darf er auch; is mir ja egal! Nur, was er danach noch verlauten ließ, kommt mir komisch vor. Er sagt, wenn danach ein anderer Vorsitzender wird, der auch im Bundeskabinett ist, dann wird der Vizekanzler (ansonsten bleibt er es).

Das kann er aus mehreren Gründen nicht einfach so sagen: es ist nämlich nicht so, dass die zweitgrößte Partei einer Regierungskoalition den Vizekanzler zu stellen hat; es ist schon garnicht so, dass überhaupt irgendein Parteivorstand den Vizekanzler zu benennen hat, der wird als Mitglied des Kabinetts vom Bundeskanzler bestimmt und vom Bundespräsidenten ernannt. Und falls das doch so wäre, hehe, selbst dann könnte er das nicht so sagen, weil er zu dem Zeitpunkt, wenn der neue da ist, schon nicht mehr Parteichef ist und es ihn einen Scheißdreck angeht, wer dann zum Vizekanzler gemacht wird, Depp!

Dieses ganze politische Spielgeregel offenbart nur eines, nämlich, dass es an Transparenz fehlt. Denn würden sich die Parteien auf das Parlament verlassen (das kann man, indem man es bestimmungsgemäß benutzt), müssten sie nicht so viel vorher ausmachen in diesem Koalitionsvertragsmist, denn man könnte ja mit nein stimmen, wenn die Regierung einen miesen Gesetzesvorschlag macht, man kann Mißtrauensvotieren, wenn der Kanzler abdreht und so weiter.

Wenn aber der Typ – wohlgemerkt, lediglich in seiner Funktion als Parteichef – hergehen kann und den nächsten Vizekanzler küren, dann war also schon klar, dass die Kanzlerin da nicht mitzureden hat, das kann allerdings nur klar sein, wenn man vorher ein Quid-pro-Quo geschlossen hat über Posten und Inhalte; und wenn man letzteres tut, muß man faktisch das Parlament außer Funktion gesetzt haben, indem man schon vor Debatten und Abstimmungen klarstellt, was herauszukommen hat.

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Westerwelles debiler Schatten

12. Oktober 2010 - 23:24 Uhr

Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Wir bekommen einen Platz im Weltsicherheitsrat.
Das war aber nicht, was mich so irritierte. Sondern, das war dieser Durchgeknallte, der dauernd neben Westerwelle herlief und auch in der Versammlung neben ihm saß und so auf jedem scheiß Film und Foto zu sehen ist. Wahrscheinlich ist dieser Idiot unser Uno-Botschafter.
Und trug eine schwarz-rot-golden quergestreifte Krawatte, der stillose Volldepp! Das ist einfach ein seidiger Griff ins Klo der bescheuerten Auffälligkeiten, ich hätte es mehr begrüßt – und es wäre mehr in seinem Schwachsinn gewesen –, hätte er sich die Tricolore mit dem traditionellen Fettstift auf die Wange geschmiert.
Da hätte er dann auch die Chance gehabt, sie richtigrum zu plazieren. Denn seine Krawatte hatte der Honk offenbar in Belgien gekauft, deren Staatsbanner man am Halse des wohl nichtmal Bacheloraten, keinesfalls jedoch Diplomaten, einwandfrei baumeln sehen konnte, wohingegen die Bundesstandarte zu einem ewig hängenden Kopfstand verdammt war.
Ja, wir können sie wieder zeigen und tragen, zwei Sommermärchen habens vermocht. Aber bitte sie und nicht um den Hals und nicht bei der Uno und schon garnicht so ein Bruder Lustig, sonst wünsch ich mir den Knüppel aus dem Sack!

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Atomkraft – jein oder so, bitte sehr!

7. September 2010 - 17:55 Uhr

Es ist wie – leider inzwischen – immer schade, dass politische Diskussionen zwar nicht komplett inhaltsleer, aber doch unter Nichtberücksichtigung von nennenswerten Fakten geführt werden und außerdem der vielbeschworene Kompromiss – zu dem nur die Politikerkaste fähig sei (Argument gegen direkte Demokratie) – meist keine gangbare Synthese aus den zentralen Argumenten der diskursierenden Lager mit Pattlösungstendenz nach aktueller Mehrheitenlage ist, sondern eine realitätsferne Maske augenwischender Pseudoregelungen, hinter denen sich üblicherweise ein absichtlich verkrüppeltes Paragraphengewirr, dessen irreführende Ausführungsfähigkeit einerseits dafür gedacht ist, den Schein einer Problemlösung zu wahren, andererseits, den vorgeblich gezügelten Lobbygruppen genügend Raum für Schlupf- und Angriffs- -löcher und -punkte zu liefern, damit sie weiterhin gegen die vorgegaukelte Marschrichtung des Gesetzes arbeiten können.
Atomkraft ist eine Brückentechnologie? Kann sein. Zwar halten genügend von der Regierung beauftragte Sachverständige die vorhandene Brücke für lang genug, aber die können sich natürlich täuschen, dagegen muss man per politischer Rahmensetzung gewappnet sein, das ist richtig. Nicht dass noch neue Kohlekraftwerke hochgezogen werden, um irgendwelche Stromlücken zu stopfen, aber ist das nicht eh geplant?
Eine Brückentechnologie sieht nicht aus wie eine Brücke! Denn diese ist an Anfang und Ende gleich breit. Wenn man aber einen Technologiewechsel vollzieht, muss die alte Technologie sich allmählich entfernen, warum sollten wir also alle Meiler in der Laufzeit verlängern? Man streitet sich so gern über die Sicherheit von diesen alten Schachteln, in denen Krümmel und Biblis und wie sie heißen stecken; diesen Dingern mit Gaugefahr, falls einer mit der Zwille durch den Zaun trifft (ich übe gelegentlich unter einer Wertachbrücke). Wollen wir mal überlegen, ob wir auf diese vielleicht gleich bzw. in der bis dato ausgemachten Zeit verzichten können: Wie lange ist Krümmel in den letzten zwei Jahren gelaufen? Weiß nicht, dazu müsste man wissen, wie lange man mit einem Gigawatt bräuchte, einen defekten Trafo anzuzünden, ja in etwa so lange. Hat es uns gefehlt? Moment, ich schreibe an einem Computer – die benutzen Strom, oder? Und die Stromlücken, die ich beim denken zwischen den Sätzen entdeckt zu haben meinte, waren ein etwas straff eingestellter Bildschirmschoner (ich hatte mich schon gewundert, warum es nur eine Computerstromlücke und keine Lichtstromlücke war).
Also, alles klar, alte Kraftwerke muss man wohl nicht weiter verlängern, da kann man dann auch gleich mal üben, wie so ein Rückbau funktioniert und wo man dann den Gruscht hintut, der in allen Farben von Alpha bis Gamma leuchtet. Darum kümmern sich gerade alle Asse in unserem Land. Natürlich kostenlos. Denn jede Einrechnung von Endlagersuche, -ausbau und – gerade aktuell sehr beliebt – Räumung unter Wasserüberschuss leidender begutachtet jahrtausendelang trockener Endlager würde ja den Produktionspreis auf Wettbewerbsniveau hieven, was natürlich schon rein systematisch unfair wäre, da man doch von Wirtschaftsunternehmen nicht erwarten kann, auch für die Entsorgung der Betriebsmittel zu sorgen, das wäre ja so, als müsste man sich nach dem Ölwechsel beim Auto auch um die Entsorgung des Altöls kümmern (das geht ja eh nicht, weil bis ich so weit wäre, ist das immer schon versickert, noch dazu ist im Wald immer das Licht so diffus, dass ich das sowieso nichtmehr finden könnte).
Achja, ein großer Politiker (Dr. Christian Ruck, weil er gerade irgendsoein bla-politischer Sprecher seiner Fraktion ist – wo wir gerade dabei sind: das ist auch der Typ, der als Verkehrsausschuss-MB von Augsburg gemeint hat, die CSU dürfe doch sehr gerne das destruktive Bürgerbegehren für den ominösen Tunnel am Königsplatz abhalten, weil durch Verzögerungen keinesfalls staatliche Fördergelder flachfallen könnten; jetzt stört man die CSU lustigerweise mit eben ihrem bescheuerten Tunnel und plötzlich wird es zur moralischen Keule, dass man leichtfertig Fördergelder für politische Hirnfürze gefährdet) hat mal sowas ähnliches gesagt (im Bayern-Alpha Mittagsgespräch) wie: das Problem mit dem Abfall sei ein schwieriges, ungelöstes und großes, aber es sei nunmal schon vorhanden und deshalb kein Grund, mit Atomkraft aufzuhören. Ich bin seitdem erleuchtet. Diese Form der Argumentation ist in ihrer Klarheit und Universalität unschlagbar in ihrer Anwendbarkeit. Meinen ersten Erfolg hatte ich damit, als ich mich im Freibad an den Rand des Kinderbeckens stellte, um mir den Weg auf die – oft auch recht schmutzigen – Toilettenanlagen zu sparen. Die zunächst recht ungehalten Gegner meiner Auffassung waren indes bald überzeugt, dass die Tatsache, dass sich bereits Urin im Wassser befände, ausreiche, um sich ungeniert zu erleichtern; so kamen wir schließlich auf die Idee einer Laufzeitverlängerung (aber das ist nun wirklich ein anderes Thema).
Achja, zuallerletzt, ein Gedankenexperiment: wenn ich mir denke, “den Winter über brauche ich eine Mütze”, dann könnte ich zu dem Schluss kommen, mir eine Mütze zu kaufen (oder nachzusehen, ob ich bereits eine habe) und diese dann im Winter zu tragen, ist das abwegig? Nein, aber man kann sowas natürlich noch besser regeln, dazu setzen wir uns jetzt mal mit den vier großen Mützenbereitstellern (19 ct pro Mützentragstunde) und einer christliberalen Regierung an einen Tisch und entwickeln folgendes:
Im Winter muss man eine Mütze tragen. Vereinfacht angenommen ist der Winter 6 Monate lang. Je 30 Tage und 24 Stunden. Darum muss man im Jahr 4320 Stunden eine Mütze tragen. Sollte man, wovon man zu diesem Zeitpunkt keinesfalls ausgehen kann, unvorhergesehenermaßen einige Winterstunden in Gebäuden verbringen und folglich auf die Mütze verzichten, ändert das natürlich nichts an der Notwendigkeit einer Mütze an 4320 Stunden im Jahr. Folglich muss die Mütze auch noch weitergetragen werden, sie war ja schließlich im Winter notwendig.
Zur Erklärung: weil man von einer 12-Jahre-Energielücke ausgeht (die Studie hat man sich schließlich was kosten lassen), sagt man, die Kraftwerke können noch solange laufen, bis sie die Energie produziert haben, die sie in 12 Jahren Volllast produzieren können. Wie lange muss jetzt Krümmel noch stillstehen, bis es 12 Jahre Volllast-Äquivalent produziert hat? Ahja, also ist die Energielücke mindestens 30 Jahre lang, oder? Wieso darf man das sorum nicht rechnen? Ich denke, das ist eine Brückentechnologie hier!
Ne, is schon klar, warum man das so regeln muss, denn würde man einfach sagen, bestehende Atomkraftwerke dürfen noch 12 Jahre lang laufen, dann müssen sie abgeschaltet werden, könnte das ja dazu führen, dass es ein Nachteil für Betreiber wäre, wenn ein schlecht gewartetes Kraftwerk in Zeiten von Energielücken ihre strategische Stopffunktion nicht übernehmen könnten, außerdem könnte es dazu führen, dass die Betreiber versuchen, viel Strom mit ihnen zu produzieren, solange sie noch dürfen, der könnte dann unangenehm günstig werden, als ob jemals jemand Atomstrom mit günstig in Verbindung gebracht hätte!

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