Was ich nicht verstehe

Gestern habe ich noch genau gewusst, was ich nicht verstehe, es war etwas bedeutendes, möglicherweise, wie man denn glauben kann, es wäre eine günstige Sache, billig Strom zu produzieren, dessen Herstellungsrückstände man hunderttausende von Jahren überwachen muss (nachdem ich davon ausgehe, dass es nicht möglich ist, einen Ort zu finden, an dem er sicherlich über diesen Zeitraum ohne Außenwechselwirkung bleiben wird). Was ich auch nicht verstehe, ist dass das offenbar keiner bezahlen muss, den Müll zurückzuentsorgen, der zum Teil auch unter falscher Flagge “versuchsweise” nahezu unwiederbringlich dilettantischen Lagerbedingungen anheimgegeben wurde. Ich sehe ein, dass die Strafbarkeit solcher Dokumentenfälschungen – auch bei hochgefährlichem Giftmüll – irgendwann ausläuft, es kommt mir trotzdem recht merkwürdig vor, dass man die Rücknahme bzw. die Ungeschehenmachung objektiv unzulässiger Verschmutzungen nicht durchsetzen kann oder will. Kommt mir schon merkwürdig vor, wenn ich irgendwo meinen Dreck hinschmeiße, meinen Namen draufschreibe und – wenn er lange genug unbemerkt bleibt – mich hinstellen kann und sagen “ja, ist mein Müll, aber dein Problem”. Wie gesagt, das verstehe ich nicht.

Außerdem verstehe ich nicht, inwiefern es unheimlich wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland und das gesamtökonomische Gefüge sein kann, genau Übernachtungen in Hotels steuerzubegünstigen. Ich komme da einfach nicht dahinter, warum genau das so entscheidendend ist. Einerseits kann man oft irgendwo recht günstig unterkommen, andererseits kann es unnötig teuer sein, auf Zeit irgendwo zu wohnen, das hängt aber kausal selten vom Steuersatz ab, was schon durch die Koexistenz der beiden Fälle bewiesen wird (es geht ja nur um eine nationale Betrachtung).
Sollte es darum gehen, den inländischen Tourismus zu unterstützen, so frage ich mich trotzdem, ob das das beste Mittel ist. Nachdem ich mich schon mit dem ersten Thema als Öko geoutet habe, kann ich hier einen Gegenvorschlag unterbreiten, der als Nebeneffekt heimischen Tourismus unterstützen könnte: die Besteuerung von Flugbenzin könnte den Trend zu Auslandsreisen etwas eindämmen, der schon seit Jahrzehnten in Deutschland mit den Möglichkeiten gewachsen ist.
Jedenfalls sinnvoller, als Adabsurdierung des ohnehin schon bedenkenswert unlogisch praktizierten Förderungssystems vermeintlich “grundversorgungs-“lastiger Produkte und Sparten mittels reduziertem Mehrwertsteuersatz. Man kann zwar streiten, ob ein Blumenstrauß nötiger ist als ein Hotelbesuch, aber an die Berechtigung von Lebensmitteln kommen beide nicht heran. Überlegenswert wäre – wenn überhaupt – eine Reduzierung des Satzes im Bereich der Gastronomie, indem man behauptet, es wäre einerseits real und andererseits nicht falsch, dass sich – auch im Bereich der Grundversorgung – der Schwerpunkt der Volksernhärung von der Heimzubereitung in richtung Gastronomie verschiebt, was gleichberechtigt bestehen solle und ja auch einer gewissen Wertschöpfung zugute komme. Ich würde es trotzdem nicht machen, weil ich es nach wie vor für Luxus halte und alle Reduzierungen vor allem denen nützen würde, bei denen entweder sehr viel schwarz oder dumping gearbeitet wird und die darüber hinaus das Volk nicht gerade gesund ernähren.

Weil ich das nicht verstehe, dachte ich mir, ich kümmere mich besser um Dinge, die man nicht verstehen muss, weil beide Ansichten erlaubt sind, das wollte ich – im speziellen – schon einige Tage tun, habe mich aber wieder daran erinnert, weil sich auch der lobenswerte Toblog mit der Steuersünder-CD-Problematik beschäftigt hat.
Jemand stiehlt (ich hoffe, das stimmt so) in einem befreundeten Land Daten, die unter dessen Rechtssystem geheim bleiben sollten und der deutsche Staat kauft sie, um mit den Informationen Unrechtmäßigkeiten bezüglich seines Rechtssystems aufzudecken und zu verfolgen. Mist, ich verstehe schon wieder was nicht. Keine Ahnung, wie es überhaupt dazu kommen kann, dass immer solche Mengen an Geld, die einer garnicht haben darf ohne im Inland Spuren zu hinterlassen (ich glaube, bei berechtigtem Verdacht auf Steuerhinterziehung in Deutschland, leistet die Schweiz sogar amtshilfe), ins Ausland gelangen. Läuft das alles mit dem ominösen Geldkoffer ab, den man auf Geschäftsreise in Zürich kurz mal in der Bank vorbeibringt?
Das ist aber nicht die Frage, insofern unwichtig, ob ich das verstehe oder nicht. Und ganz zu Anfang, ja, ich bin grundsätzlich mit dem Ergebnis schon einverstanden: der Fiskus besorgt sich Daten auf dessen Grundlage er viele Millionen ihm rechtmäßig zustehende Steuern einfordern kann und nötigen-/hoffenswertenfalls die Hinterzieher strafrechtlich belangen. Soweit sogut.
Aber er tut das irgendwie schon unter Störung des Rechtssystems eines anderen Staates. Für sowas muss man bilaterale Verträge aushandeln, Amtshilfeabkommen und so weiter. Zumindest muss das, was man dort tut auch im Inland erlaubt sein, auch da bin ich mir gerade nicht sicher, wobei das ja, wenn ich richtig informiert bin, nur bei der Strafsache wirklich wichtig ist, nicht bei dem Verwaltungsakt der Steuerforderung. Trotzdem gefährlich.
Am einfachsten wäre es natürlich, wenn es sich um einen Schurkenstaat handelte, in dem man sich die Daten beschaffen musste. Dort darf man relativ legitim geheim und illegal agieren – das ist quasi Grundannahme internationaler Diplomatiekultur – und müsste sich nur offiziell davon distanzieren, falls es zu einem Mißerfolg geriete, aber so war es nunmal nicht.
Ich bleibe in meiner Zwickmühle, glaube aber, wir könnten noch einige Probleme bei uns intelligenter lösen, bevor wir der Schweiz in zu vielen Punkten sagen, dass sie “unfair” ist.

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