Vasektomie

Manchmal denke ich mir, es wäre sicher ein ganz netter Job, bei der dpa zu sitzen und mir Pressemitteilungen auszudenken. Das wäre insbesondere meist auch garnicht schwer, man müsste nur eine Begebenheit entwerfen und der Rest erledigt sich von allein, das läuft dann alles ab, wie eine Kettenreaktion. Falls man in Formulierungsnot gerät, kann man sogar auf feststehende Wortpaare zurückgreifen, die grundsätzlich greifen und unter vollständiger Abwesenheit von Neuigkeitswert auch Lapalien eine gewisse Tiefe verleihen können: Opposition – Rücktrittsvorwurf; PDS (passiv) – Kommunist; PDS (aktiv) – sozialfeindlich (insbesondere: Gysi: “hab ick doch schon immer jesagt”); Zentralrat der Juden – zutiefst beleidigt; SPD – Steuern rauf; FDP – Steuern runter; und so weiter.
Nur gelegentlich stelle ich fest, dass es mit meiner Phantasie einfach nicht weit genug her ist, wenn es ein Ölkonzern schafft, die Abdichtung eines Bohrlochs in allerbester Daily Soap-Manier von Tag zu Tag und Woche zu Woche zu verschleppen. Es ist tatsächlich beeindruckend, wie selbstverständlich man die Pläne A, B und C (oder sind wir schon weiter) seelenruhig durchnumerieren kann und angesichts eines Worst Case-Szenarios schlicht nicht auf die Idee kommen kann, zwei drei vier Pläne gleichzeitig zu verfolgen und vorzubereiten, wo doch inzwischen eh klar ist, dass man sich die Folgen schon nicht mehr leisten kann. Es würde sich kein ernsthafter Drehbuchautor so oft trauen, einen einzelnen Versuch zu versauen, dann zu sagen, den nächsten Versuch macht er erst in ner Woche und dann auch noch beim dritten Versuch den BP-Chef sowas sagen zu lassen wie “aber diesmal ohne Garantie…”. Außerdem, angeblich kann man Ölbohrlöcher dicht sprengen, ich habe allerdings noch nirgends gelesen, warum das hier nicht funktioniert. Einen Plan B hätte ich auch: in Dubai fahren doch diese Schiffe rum, die ganze Inseln aufschütten können und die können die sich sowieso nicht mehr so gut leisten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man hier mit Masse nichts erreichen kann!
Neuseeland liefert da schon lustigere Schlagzeilen, wenn der Ministerpräsident bei der Pressekonferenz von seiner Vasektomie erzählt. Endlich mal jemand, der die Wowereit-Schule für politische Themenschmiedung erfolgreich besucht hat! Tut (fast) keinem Weh, ist aber trotzdem ne Meldung wert.
Verschenkt hat, zumindest vermute ich das leider in dieser noch frühen Phase (ja, ich bin ein Stück weit ein Fan von ihm), allerdings Horst Köhler den Effekt seiner krassen Bombe. Der erste Rücktritt eines Bundespräsidenten! Krasse Nummer, nur leider wirkte er persönlich zu gekränkt, als dass er die (auch politische) Schlagkraft der Aktion noch für etwas benutzt hätte. Er hätte es spezieller mit einer Position verknüpfen können, anstatt vage mit dem “Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten”. Zugegeben, auch das könnte das politische Geschäft etwas verbessern, vielleicht nachhaltiger, als ich mir vorstellen kann, dann wäre es sehr sehr weise gewesen. Jedenfalls danke schonmal, ich denke, Sie schlafen heute gut, Herr Köhler!
Vielleicht lasse ich in nächster Zeit wieder häufiger von mir hören, wenn mein Land momentan so führungslos durch die Realität schippert. Allerdings verstehe ich auch nicht zu viel von Realität, werde aber weiterhin aufrichtig als heimlicher Präsident die Strippen ziehen – nur mit dem Samenleiterabknipsen warte ich noch ein wenig.

Kategorie: Politisches 3 Kommentare »

3 Reaktionen zu “Vasektomie”

  1. Tobias Wichtrey

    Ich hab das mit Horst nur aus zweiter Hand erfahren, und noch keine Zeit gehabt, mich genauer zu informieren, drum die Frage: Ist er wirklich zurückgetreten, weil er bzgl. einer Äußerung zum Afghanistan-Krieg keine Bestätigung in der Regierung fand? Was soll das denn? Klingt irgendwie… naja… kindisch. Vermutlich steckt aber doch wohl mehr dahinter, oder? Mal schauen, was meine SZ mir morgen sagt.

  2. psycho

    Das ist so wohl offiziell der Grund, wenn ich das richtig verstanden habe. Allerdings nach allgemeiner Meinung EIN Grund, denn er war wohl schon länger gefühlt unglücklich ununterstützt.
    Wobei, bei aller kindischkeit muss ich trotzdem betonen, dass genau das dann ein Zeichen dafür wäre, dass er es wirklich sehr ernst gemeint hat mit dem Amt und vor allem dem, was er so politikergescholten hat in seiner Amtszeit, dass er also weniger Polit-Show veranstaltet hat, was ich ja andersrum so gut wie jedem Politiker unterstelle, der ich nicht selber bin.

  3. Tobias Wichtrey

    Ok, so wie ich das jetzt sehe, war der wirkliche Grund wohl wirklich, dass Köhler sein Amt sehr ernst und gewissenhaft geführt hat, und damit überall angeeckt und auf Ablehnung gestoßen ist.

    Da kann dann auch so ein schwacher Grund, dass seine durchaus missverständliche Äußerung kritisiert wurde, ein veritabler Auslöser sein…


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