Moralisches Dilemma

Seife ist etwas angenehmes, speziell ist ein Stück Seife ein in gelig überflüssigen Zeiten eine fast weggespülte Besonderheit. Obwohl ich sie ähnlich willkürlich auswähle (bzw. fast, denn das Gebot zur Simplizität führte mich natürlich auch zur Kernseife, die ich sehr schätze), macht sie auf mich nahezu grundsätzlich den besseren Eindruck als ihr gespendetes Pendant. Und zwar in puncto Bedienbarkeit.
Mir fällt es deutlich leichter, mich an die flutschige Glitschigkeit des Seifenstücks zu gewöhnen, als an eine Flüssigseife mit entweder zu geliger Konsistenz, die einem durch die Finger gleitet, noch bevor sie oder man selbst eine Lösung gefunden hat, oder zu dünner, die wohl zwar ihren Reinigungseffekt erzeugt, aber nicht den viskosen Sexappeal des hygienischen Aktes vermitteln kann.
Nun fanden im Ostertrubel zwei Skulpturseifen ihren Weg in meine Sammlung. Namentlich ein Hase und ein Schaf. Den Hasen bereits beim Händewaschen problemlos zur fast vollständigen Unkenntlichkeit verseift habend (lediglich ist er für meinen Geschmack zu parfümiert) kündigt sich nun in der Schale im Duschkabinett ein baldiger Seifenwechsel an, nur – ich zögere.
Ich hatte schon mehrmals das Schaf in der Hand, um es an seinen Bestimmungsort zu bringen, wurde aber nicht von Tierschutzfragen gehindert, sondern es war eine gewisse – hm – vielleicht Moralästhetik, die mich die Entscheidung verzögern ließ: der vorhin schon bezeichnete hygienische Akt bewegt sich verglichen mit der Handwaschung in delikatere Regionen, was die oben angeklungene Allegorie betrifft. Die Vorstellung, dort die Dienste (und sind es nur hygienische) eines Schafes in Anspruch zu nehmen, wirkt einfach komisch, da komme ich momentan noch nicht aus der Gedankenschleife raus.
Man kann sich zwar vorhalten, es sei nur ein Stück Seife; in meinem Fall habe ich mir das sogar bereits vorhalten lassen. Aber mit dieser Anschauungsweise würde man den Zauber des Symbolismus’ völlig außer Acht lassen. Würde ich diversen Leuten das Ding zeigen (wir sind jetzt wieder aus der Dusche raus und bei der Seife angekommen – ich sag’s nur zur Sicherheit) und einfach “Was ist das?” fragen, käme ich wohl auf einen garnicht mal so geringen Anteil an “Ein Schaf.” unter den Antworten und bin grad nicht sicher, ob “Seife.” häufiger wäre.
Das ist ja auch keine Fehleinschätzung, “Ein Schaf.” zu sagen und nur die Wenigsten würden sich die Mühe machen, “Ein Stück Seife in Form eines Schafs.” zu sagen. Der Mensch lebt mit Symbolen, er schafft Symbole, er mag Symbole und er sollte sie dann wohl auch ernst nehmen.
Aber übertreiben sollte er es wohl auch nicht. Es ist noch ein wenig hin, aber ich bin nun entschlossen; ich werde das Schaf aus seiner Verpackung nehmen und es mit Schmutz von weltlicher und moralischer Natur beladen und hoffentlich gereinigt daraus hervortreten.

Kategorie: Allgemein 2 Kommentare »

2 Reaktionen zu “Moralisches Dilemma”

  1. Tobias Wichtrey

    Ich möchte hieran erinnern: http://www.tarphos.de/blog/2010/03/seifenspender-2/
    Das wäre vielleicht ein Kompromiss zwischen dem Komfort eines Seifenspenders und der von dir bevorzugten Konsistenz der Seife.

    Zur Schafsseife: Auch wenn die Sündenbock-Allegorie sehr schön ist, gebe ich folgendes zu bedenken. Wie weit würdest du in deiner Seifenwahl gehen? Würdest du eine Seife in Form eines kleinen Kindes benutzen? Eine Seife, die einen Juden darstellt? Wo ziehst du die Grenze?

  2. psycho

    Die Frage ist sehr interessant. Auch wenn ich sie momentan nicht beantworten kann. Denn, hm, auch wenn ich es glaube ich nicht ausreichend in der Begründung erwähnt habe, fußt mein letzter Entschluß ja auf der Tatsache, dass ich die Seife nunmal habe, also auch über ökologische Argumentationen eine Aufforderung zur Nutzung ableitbar wäre.
    Ausweichend könnte ich also fragen, da ich mich eher in Richtung Kernseife orientiere, wie ich also an Juden- oder Kinderseife gelangen sollte. Und weiterführend, wer überhaupt sowas herstellt oder sonst vertreibt.
    Wobei wahrscheinlich der Bedarf nach Seife in Kinderform möglicherweise über so Engelchen-Seifen, die ja einen hinreichend asexuellen Nimbus trotz ihres bisweilen vorhandenen Schniepels haben.
    Aber zur Frage: ich denke, ich würde sie nicht kaufen oder wählen, könnte sie aber, nachdem ich wie beim Schaf über die symbolischen Implikationen reflektiert habe und diese dann ausdrücklich von mir weise und lediglich die unsymbolische Seife als Gebrauchsgut übriglasse, reinen Gewissens benutzen.


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