Dieser Matussek

"Cabane ist nicht der einzige Charisma-Coach. Charisma ist selten wie Gold und mindestens so geheimnisumwoben wie die Coca-Cola-Formel. Jeder will Charisma. Jeder will die Fähigkeit, Menschen zu bewegen, um auf einer Woge der Zuneigung durchs Leben zu segeln."
Matthias Matussek, Das Lodern von Innen, Der Spiegel 46/2012

Ich mag ihn ja nicht so unvoreingenommen, den Matussek; er schreibt angenehm, kenntnisreich, immer mit Referenz auf einen aufgeklärt-katholischen Konservativismus, aber er zieht oft aus unglaublich weitschweifenden Parallelen merkwürdige Schlüsse.
Aber der obige Absatz ist was wirklich schönes: es ist dies einer der Absätze gegen Ende des zweiten Drittels des Leitartikels dieses Spiegel. Und er hat mein müdes Hirn entzückt. Es ist einer von diesen Absätzen, die den Spiegel zum Spiegel machen, denn er ist absolut unnötig. Die sparsamen Informationen in ihm sind auch in den Absätzen drumrum enthalten, aber seine Aufgabe ist ja schließlich, zu personalisieren.
Er soll ein Gefühl von Bekanntheit zwischen Leser und Inhalt bzw den Personen des Artikels schaffen, emotional binden. Alles in Ordnung, langweilig ist lesichnicht, gelegentlich bleibt leider nichts übrig, wenn man die Emotion wegspült.
Doch auch das ist nicht das Thema; es war so ein optisches Phänomen. Ich verzichte darauf, den Absatz in textsatzidentischer Reproduktion darzustellen, sondern vertraue darauf, dass es trotzdem rüberkommt. Mich hatten die Cs gefangen, und zwar so deutlich, dass ich ins grübeln gekommen bin, ob das Zufall war.
In einem Artikel über Charisma, wo betriebsbedingt einige Male mehr ein C am Anfang eines Wortes steht, ist es da wahrscheinlich, dass es sinnvoll ist, just in dem Moment, indem eine Frau Cabane auftritt auch noch völlig ohne Zusammenhang über die Coca-Cola-Formel zu schwadronieren? Im orginalen Satzbild füllt noch dazu das Gold mit seinem formähnlichen Anfangsbuchstaben eine Lücke in der sonst die Symmetrie allzusehr ins stolpern geraten wäre. Cabane, Coach und Charisma bilden die Linke Ecke, deren Gegengewicht Charisma und Gold liefern, dann in der Mittelzeile des Absatzes stehen, Coca, Cola und Charis- – was soll ich da anderes sagen als "Chapeau!"?
Anschließend die Abrundung mit der schwärmerischen Prosapoesie um die schwingenden Reimpole bewegen und segeln.

Das alles spornt mich enorm an, meine Darmtätigkeit zu befeuern; denn dann werde ich in den Genuss kommen, weiter zu lesen.

Kategorie: Kulturelles 2 Kommentare »

2 Reaktionen zu “Dieser Matussek”

  1. Frau Klugscheißer

    Kleiner Tipp aus der Pragmatikerecke: Man kann auch in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf dem Sofa Spiegel lesen. Dadurch erreicht man weitestgehende Unabhängigkeit von körperlichen Bedürfnissen.

  2. Tobi

    Ich lese den Spiegel auch bevorzugt in öffentlichen Verkehrsmitteln. Da ich aber nicht so lange in die Arbeit brauche und im Sommer eh mit dem Rad fahr, landen die alten Spiegel auch auf dem Klo.


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