Atomkraft – jein oder so, bitte sehr!

Es ist wie – leider inzwischen – immer schade, dass politische Diskussionen zwar nicht komplett inhaltsleer, aber doch unter Nichtberücksichtigung von nennenswerten Fakten geführt werden und außerdem der vielbeschworene Kompromiss – zu dem nur die Politikerkaste fähig sei (Argument gegen direkte Demokratie) – meist keine gangbare Synthese aus den zentralen Argumenten der diskursierenden Lager mit Pattlösungstendenz nach aktueller Mehrheitenlage ist, sondern eine realitätsferne Maske augenwischender Pseudoregelungen, hinter denen sich üblicherweise ein absichtlich verkrüppeltes Paragraphengewirr, dessen irreführende Ausführungsfähigkeit einerseits dafür gedacht ist, den Schein einer Problemlösung zu wahren, andererseits, den vorgeblich gezügelten Lobbygruppen genügend Raum für Schlupf- und Angriffs- -löcher und -punkte zu liefern, damit sie weiterhin gegen die vorgegaukelte Marschrichtung des Gesetzes arbeiten können.
Atomkraft ist eine Brückentechnologie? Kann sein. Zwar halten genügend von der Regierung beauftragte Sachverständige die vorhandene Brücke für lang genug, aber die können sich natürlich täuschen, dagegen muss man per politischer Rahmensetzung gewappnet sein, das ist richtig. Nicht dass noch neue Kohlekraftwerke hochgezogen werden, um irgendwelche Stromlücken zu stopfen, aber ist das nicht eh geplant?
Eine Brückentechnologie sieht nicht aus wie eine Brücke! Denn diese ist an Anfang und Ende gleich breit. Wenn man aber einen Technologiewechsel vollzieht, muss die alte Technologie sich allmählich entfernen, warum sollten wir also alle Meiler in der Laufzeit verlängern? Man streitet sich so gern über die Sicherheit von diesen alten Schachteln, in denen Krümmel und Biblis und wie sie heißen stecken; diesen Dingern mit Gaugefahr, falls einer mit der Zwille durch den Zaun trifft (ich übe gelegentlich unter einer Wertachbrücke). Wollen wir mal überlegen, ob wir auf diese vielleicht gleich bzw. in der bis dato ausgemachten Zeit verzichten können: Wie lange ist Krümmel in den letzten zwei Jahren gelaufen? Weiß nicht, dazu müsste man wissen, wie lange man mit einem Gigawatt bräuchte, einen defekten Trafo anzuzünden, ja in etwa so lange. Hat es uns gefehlt? Moment, ich schreibe an einem Computer – die benutzen Strom, oder? Und die Stromlücken, die ich beim denken zwischen den Sätzen entdeckt zu haben meinte, waren ein etwas straff eingestellter Bildschirmschoner (ich hatte mich schon gewundert, warum es nur eine Computerstromlücke und keine Lichtstromlücke war).
Also, alles klar, alte Kraftwerke muss man wohl nicht weiter verlängern, da kann man dann auch gleich mal üben, wie so ein Rückbau funktioniert und wo man dann den Gruscht hintut, der in allen Farben von Alpha bis Gamma leuchtet. Darum kümmern sich gerade alle Asse in unserem Land. Natürlich kostenlos. Denn jede Einrechnung von Endlagersuche, -ausbau und – gerade aktuell sehr beliebt – Räumung unter Wasserüberschuss leidender begutachtet jahrtausendelang trockener Endlager würde ja den Produktionspreis auf Wettbewerbsniveau hieven, was natürlich schon rein systematisch unfair wäre, da man doch von Wirtschaftsunternehmen nicht erwarten kann, auch für die Entsorgung der Betriebsmittel zu sorgen, das wäre ja so, als müsste man sich nach dem Ölwechsel beim Auto auch um die Entsorgung des Altöls kümmern (das geht ja eh nicht, weil bis ich so weit wäre, ist das immer schon versickert, noch dazu ist im Wald immer das Licht so diffus, dass ich das sowieso nichtmehr finden könnte).
Achja, ein großer Politiker (Dr. Christian Ruck, weil er gerade irgendsoein bla-politischer Sprecher seiner Fraktion ist – wo wir gerade dabei sind: das ist auch der Typ, der als Verkehrsausschuss-MB von Augsburg gemeint hat, die CSU dürfe doch sehr gerne das destruktive Bürgerbegehren für den ominösen Tunnel am Königsplatz abhalten, weil durch Verzögerungen keinesfalls staatliche Fördergelder flachfallen könnten; jetzt stört man die CSU lustigerweise mit eben ihrem bescheuerten Tunnel und plötzlich wird es zur moralischen Keule, dass man leichtfertig Fördergelder für politische Hirnfürze gefährdet) hat mal sowas ähnliches gesagt (im Bayern-Alpha Mittagsgespräch) wie: das Problem mit dem Abfall sei ein schwieriges, ungelöstes und großes, aber es sei nunmal schon vorhanden und deshalb kein Grund, mit Atomkraft aufzuhören. Ich bin seitdem erleuchtet. Diese Form der Argumentation ist in ihrer Klarheit und Universalität unschlagbar in ihrer Anwendbarkeit. Meinen ersten Erfolg hatte ich damit, als ich mich im Freibad an den Rand des Kinderbeckens stellte, um mir den Weg auf die – oft auch recht schmutzigen – Toilettenanlagen zu sparen. Die zunächst recht ungehalten Gegner meiner Auffassung waren indes bald überzeugt, dass die Tatsache, dass sich bereits Urin im Wassser befände, ausreiche, um sich ungeniert zu erleichtern; so kamen wir schließlich auf die Idee einer Laufzeitverlängerung (aber das ist nun wirklich ein anderes Thema).
Achja, zuallerletzt, ein Gedankenexperiment: wenn ich mir denke, “den Winter über brauche ich eine Mütze”, dann könnte ich zu dem Schluss kommen, mir eine Mütze zu kaufen (oder nachzusehen, ob ich bereits eine habe) und diese dann im Winter zu tragen, ist das abwegig? Nein, aber man kann sowas natürlich noch besser regeln, dazu setzen wir uns jetzt mal mit den vier großen Mützenbereitstellern (19 ct pro Mützentragstunde) und einer christliberalen Regierung an einen Tisch und entwickeln folgendes:
Im Winter muss man eine Mütze tragen. Vereinfacht angenommen ist der Winter 6 Monate lang. Je 30 Tage und 24 Stunden. Darum muss man im Jahr 4320 Stunden eine Mütze tragen. Sollte man, wovon man zu diesem Zeitpunkt keinesfalls ausgehen kann, unvorhergesehenermaßen einige Winterstunden in Gebäuden verbringen und folglich auf die Mütze verzichten, ändert das natürlich nichts an der Notwendigkeit einer Mütze an 4320 Stunden im Jahr. Folglich muss die Mütze auch noch weitergetragen werden, sie war ja schließlich im Winter notwendig.
Zur Erklärung: weil man von einer 12-Jahre-Energielücke ausgeht (die Studie hat man sich schließlich was kosten lassen), sagt man, die Kraftwerke können noch solange laufen, bis sie die Energie produziert haben, die sie in 12 Jahren Volllast produzieren können. Wie lange muss jetzt Krümmel noch stillstehen, bis es 12 Jahre Volllast-Äquivalent produziert hat? Ahja, also ist die Energielücke mindestens 30 Jahre lang, oder? Wieso darf man das sorum nicht rechnen? Ich denke, das ist eine Brückentechnologie hier!
Ne, is schon klar, warum man das so regeln muss, denn würde man einfach sagen, bestehende Atomkraftwerke dürfen noch 12 Jahre lang laufen, dann müssen sie abgeschaltet werden, könnte das ja dazu führen, dass es ein Nachteil für Betreiber wäre, wenn ein schlecht gewartetes Kraftwerk in Zeiten von Energielücken ihre strategische Stopffunktion nicht übernehmen könnten, außerdem könnte es dazu führen, dass die Betreiber versuchen, viel Strom mit ihnen zu produzieren, solange sie noch dürfen, der könnte dann unangenehm günstig werden, als ob jemals jemand Atomstrom mit günstig in Verbindung gebracht hätte!

Kategorie: Politisches 4 Kommentare »

4 Reaktionen zu “Atomkraft – jein oder so, bitte sehr!”

  1. Luco

    ich möchte ich diesem blog wieder mehr über bekiffte bären in kanada lesen.

  2. Tobias Wichtrey

    Darf man sich hier Themen wünschen?

  3. psycho

    Also, so hab ich den Subtext des Artikels auch verstanden.

  4. Bekiffte Bären in Kanada - psyfessional

    […] lesen konnte, das lässt es merwürdig erscheinen, wenn meine Leser fordern, sie würden gerne “wieder mehr” über selbige hier lesen. Nungut, ich halte es für eine klasse Idee, Wildtiere für Bewachung […]


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