Franz Josef Strauß

21. Januar 2010 - 15:54 Uhr

Jetzt hab ich es verstanden, wie der Flughafen näher an die bayrischen Städte heranrückt: er gefährdet sie einfach alle miteinander. Wer Sprengstoff potentiell freihaus per Luftpost von dort geliefert bekommen kann, der muss freilich nichtmehr in den Hauptbahnhof einsteigen, sondern kann gleich zu Hause bleiben.
Aber nochmal von vorn. Nichts gegen das Sicherheitspersonal. Die zu schelten, wäre zu billig; dass, wenn gerade beide Seiten in Gedanken sind, der eine nicht laut genug “Moment” sagen kann und der andere das überhören und eilends und unwissend entfleuchen, kann ja mal vorkommen. Man muss ja in dem Zusammenhang auch bemerken, dass, wie ich erfahren habe, eine Sprengstoffwarnung der Röntgengeräte im Zusammenhang mit Laptops nicht gerade eine Seltenheit ist (ca. 3 pro Stunde) und sich so gut wie immer nach einem zweiten Durchlauf in einem speziellen Modus erledigt. Alles kein Act.
Ärgerlich ist nur, was danach passierte. Diese Person (die Presse nannte ihn in allen Meldungen den “Passagier”, obwohl sie ihn ohne ernsthafte verdrehung der Tatsachen auch dramatisierend “mutmaßlicher Terrorist” nennen hätte können) verschwindet also in den “Sicherheitsbereich” (so heißt das Ding nach der “Sicherheitsschleuse/-kontrolle”; auch “da wos den Schnaps gibt”) und – wird nie mehr gefunden. Das irritiert etwas. Denn ein Sicherheitsbereich ist einerseits ein Bereich ohne gefährliche Gegenstände – an Flughäfen bedeutet das zumindest, dass außer den gefährlichen Gegenständen, die sich darin befinden und dort zum Teil käuflich zu erwerben sind, keine weiteren hineingetragen werden dürfen. Das war ja nun nicht mehr der Fall, also dürfen schon, sein aber nicht.
Sicherheitsbereiche sind aber normalerweise auch in dem Sinne Sicherheitsbereiche, wie es Kasernen und Gefängnisse sind: Bereiche, in denen sich eine genau Definierte Menge Menschen mit einer bestimmten Berechtigung aufhält, was durch kontrollierten Ein- und Ausgang sichergestellt wird. Schlimmerweise war auch das nicht der Fall. Die Person ist nachweislich hineingegangen, war aber nicht mehr drinnen. Anstatt die Sache mit dem Sicherheitsbereich ordentlich durchzuziehen und im “Störfalle” auch alle Ausgänge zu verriegeln (das Einfachste auf der Welt!) und dann die Sache zu klären, muss man die Person im Gedränge verfolgen, und das offenbar ohne genügend sofort verfügbare Kräfte. Wie beknackt ist denn das! Da kommt ein mutmaßlicher Terrorist IN einen Sicherheitsbereich und auch wieder raus. Dass es keiner war, zeigt ja schon die Tatsache, dass kein Flugzeug explodiert ist, denn in so einem ist er mit Sicherheit verschwunden. Von wegen Startverbot, bis er gefunden ist! Solange wäre das ganze nämlich noch ein geschlossenes System gewesen und bei entsprechendem Tempo eine Sache von maximal 2 Stunden gewesen, ihn zu finden.
Noch schlimmer ist eigentlich, was noch später passiert ist. Da drückt sich dieser dampfplaudernde Schwachmatenpolemiker de Maisiere (ja, ich weiß inzwischen, wie der Nachvolger vom Rollstuhlmann heißt, nur noch nicht sicher, wie man ihn schreibt) in die nächstbeste Meldung zu diesem Thema und faselt irgendwas von Nacktscannern (auf freiwilliger Basis). Wie bitte (hää?)? Noch dümmlicher lassen sich politpolemische Trittbrettsynergieeffekte nicht heraufbeschwören, noch gründlicher Fachkompetenzmängel sich nicht zeigen.
Jedem normal denkenden Menschen (leider mit Sicherheit auch ihm) müsste klar sein, dass an dieser Geschichte eigentlich gerade deutlich geworden ist, dass auch kein Nacktscanner einen Einfluss auf die Situation gehabt hätte. Denn selbst wenn ich mir ne Stange Dynamit an den Schwanz knote (als ob das nötig wäre!), könnte ich immer noch die nächstbeste Maschine nach – ähm, äh – ROM nehmen, wenn ich nur schnell und bestimmt genug durch die Kontrolle gehen würde, ich sollte nur keine 10 Minuten brauchen, um mein Gate zu finden.

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Geheimnummernspiritualität ohne Dartzusammenhang

18. Januar 2010 - 22:56 Uhr

6.1.9 10 24:00 Heute gilt es, eine Rechenaufgabe zu lösen. Wir haben zwei Ziele vor Augen. Eines hat die größere Treffenswahrscheinlichkeit, das andere im Gegenzug eine potentiell größere Erfüllungsverheißung.
Ich bin im Dart nicht so bewandert, aber ich glaube, es läuft darauf hinaus, dass man sich zu entscheiden hat, eher auf das Bulleye (50) oder die Tripelzwanzig (60) zu zielen. Der Erfolg bei der Tripelzwanzig ist deutlich höher – vielleicht ist er bei diesem Spiel nicht ausgeprägt genug – als beim Bulleye, allerdings liegen die Versagenszenarien bei 25 zu 20 und 10. Und das stimmt schon nicht mehr.
7.1.10 19:41 Drauf geschissen, das hat doch alles keinen tieferen Sinn.
Nicht so tief wie die beseelte Welt da draußen, wo man einen Brief bekommt, der so unheimlich offensiv unscheinbar aussieht, dass man sich gleich denken muss “Da sind doch mit Sicherheit keine sensiblen Bankunterlagen drin”.
Und tatsächlich, man bekommt dann das kleine Briefchen mit der Geheimnummer für die neue Lreditkarte, die wegen der ganzen Feiertage doch am selben Tag ankommt, obwohl sie ja aus Sicherheitsgründen extra getrennt verschickt worden war. 8.1.10 20:50 Diese Geheimnummer ist ja eine Zufallszahl, wie immer behauptet wird; mal abgesehen davon, dass dem Zufall eine kleine Reihe von Ereignissen genommen werden wie 0000, 1234 und so.
Jedenfalls bekomme ich diese Zahl und denke mir, schon wieder sone Zahl, ich bring doch eh schon alle durcheinander (tatsächlich wundere ich mich immer wieder, wie ich es jedes mal schaffe, mein Handy zum Laufen zu bringen), als ich mich jäh unterbrechen muss, weil ich festgestellt habe, dass sie ein einziges Symbol ist. Für was, muss ich verständlicherweise verschweigen.
15.1.10 9:25 Jedenfalls ist mir plötzlich klar, dass genau diese Nummer meine Geheimnummer sein muss. Von Merkschwäche kann garnicht mehr die Rede sein, vielmehr ist es verwunderlich, dass diese Zahlenfolge in dieser kurzen Zeit in mein Gedächtnis brennen konnte.
Viel wichtiger ist allerdings die Frage, was mir die Welt damit sagen will. Mal wieder schreit sie mir entgegen, dass sie tatsächlich beseelt ist und steckt mir schmunzelnd einen Zettel mit Zahlen zu, von denen ich schon lange wollte, dass sie mir gehören.
16:05 Da könnte man natürlich drüber schwadronieren, dass es doch einfach purer Zufall sein muss, dass ich gerade diese Zahlen bekommen habe, ja noch viel mehr es nichtmal “gerade diese Zahlen” sind, sondern ich mir sicherlich in so manche Kombination alles mögliche hineininterprätiert hätte, um hinterher behaupten zu können, das es “gerade diese” sind.
Und das ist AUCH richtig. Möglicherweise ist Spiritualität nur eine Folge von Langeweile. Aber es ist halt einfach schön!
24:54 1. Nachtbus Und trotzdem mehr als das. Man muss an dieser Stelle tatsächlich keine theologischen Diskussionen führen, es reizt mich nur zu bemerken, dass jemand der sich entscheidet, nach – gerne auch willkürlichen – Symbolitäten zu suchen, durch diese Tätigkeit immer wieder mal Meine erste Nachtbusschlägerei, also subpassiv; ich bin Zuschauer im umfriedeten Vehikel. Es fuhr darum erst um 25:09 vom Kö ab. sich durch die Welt positiv überraschen zu lassen vermag. Nein, momentan entdecke ich keinen Grund dafür.
Meine Welt bleibt foglich beseelt, wobei vollkommen unerheblich ist, ob ich sie beseele oder diese Aufgabe ein übernatürliches Prinzip übernimmt.

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Zitat des Zeitpunkts “Umsatzsteigerung”

8. Januar 2010 - 23:33 Uhr

Die besten Ideen – muss man umsetzen.
Alter Ego

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Arme, Vögel

7. Januar 2010 - 23:33 Uhr

Ich musste letztens mal feststellen, als ich recht lustlos aus dem Fenster blickte, dass es mich wahrscheinlich schon nerven würde, wenn ich ein Vogel wäre, und zwar aus dem Grund, dass ich keine Arme hätte.
Nunja, ich wäre gerne mal Vogel auf Zeit, weil fliegen is sicher total cool, aber als dieser Vogel da so auf dem Boden rumhüpfte dachte ich mir schon, wär doch schon cool, wenn er da jetzt auch ein bisschen rumwurschteln könnte mit zwei Armen, vielleicht ne Nuß schälen, egal.
Als ich dann meinem Umfeld sagte, wie es sich mit meinem Geflügelincarnationsenthusiasmus und der Armproblematik verhält, wurde ich nur darauf hingewiesen, dass ich ja als Vogel nicht wüsste, dass ich keine Arme habe, bzw. besser, welche haben könnte.
Aber das geht doch total am eigentlichen Ziel vorbei! Was bringt es mir denn, ein Vogel zu sein, wenn ich das nicht als ich sein kann. Dann könnte ich doch gleich ein Vogel sein. Und ich weiß nicht, ob Vögel es so cool finden, Vögel zu sein. Jedenfalls will ich das ja aus der Neugierde heraus, wie es ist, fliegen zu können…
Und da ist es mir auch klar geworden. Nicht sofort, aber als ich Wochen später ein anderes Problem geträumt habe, und auch nicht dann, sondern jetzt. Das Problem ist mir nicht ganz klar, weil ich auch nur geträumt habe, aber es geht darum: wenn sich ein Gott zum Mensch macht, kann er sich ja danach nichtmehr zum Gott machen, denn Menschen können das ja nicht, also müsste er entweder aufgeben Gott zu sein oder er würde bei seiner Aufgabe total versagen, aber Gott kann ja schließlich alles.
Das Problem ist nur, da ja die ganze Schöpfung in Gott zusammenläuft, müsste sie sich auflösen, sobald Gott sich zu einem Teil davon macht. Er müsste also so eine Art Eieruhr aufstellen, die er an den Nagel seiner Göttlichkeit hängt (den Spruch muss ich mir wirlich für eine grandiose Anmache merken) und die innerhalb ihrer Laufzeit seine Göttlichkeit parkt, während er Menschlichkeit praktiziert und die ihn hinterher wieder rauszieht.
Aber ich glaube eine Eieruhr, die sowas kann, ist eine ganzschön komplizierte Maschine. Genau da kommt dann auch der Teufel ins Spiel, weil der steckt bekanntlich im Detail.

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Eine Weihnachtsgeschichte

6. Januar 2010 - 10:33 Uhr

25.12.9 27:15 Ich glaube, mir wurde gerade eine Schachtel Kippen geklaut. Warum nur? Ich weiß es nicht.
Es wäre zwar immernoch möglich, dass sie mir nur entzogen wurde, doch glaube ich das ehrlich gesagt nicht. Ich habe nämlich jemanden in Verdacht gebracht, der nicht berechtigt und wohl nicht befähigt wäre, mir sie nur zu entziehen.
Mein Schuh hatte mich auf ein Niveau gezwungen, von dem mir nicht möglich war, zu beobachten, was mit ihnen geschah. Auf diesem Niveau war mir gleichzeitig – nennen wir es Crux, um weitschweifendere Konstruktionen zweier Gedankenstriche zum Dank – nicht bewußt, daß ich die nämliche beobachtende Vorsticht hatte walten lassen müssen.
Denn in Abhängigkeit von der Bälde des Verschwindens meines Freundes war das aktive Verschwindenlassen meiner Kippen durchaus einer relativ hohen Dreistigkeit geschuldet, ohne hier jetzt eine entlastende [?] Kausalitätskette schmieden zu wollen.

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Zitat des Zeitpunkts “Dämpfung”

5. Januar 2010 - 23:33 Uhr

Das Wasser ist der Winter der Luft.
Alter Ego

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Zitat des Zeitpunkts “Kalkulationsgrundlage”

4. Januar 2010 - 23:33 Uhr

Langfristig sind wir alle tot.
John Maynard Keynes

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Zitat des Zeitpunkts “Vertrauen”

3. Januar 2010 - 23:33 Uhr

Vertrauen ist eine Oase des Herzens, die von der Karawane des Denkens nie erreicht wird.
Khalil Gibran; mit bestem Dank an J.

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Der Knopf

25. Dezember 2009 - 22:11 Uhr

Er saß wie immer auf seinem Stuhl vor dem Schaltpult. Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, wann er hierhergekommen war, noch viel weniger, warum.
Eigentlich war er schon immer hier und saß vor seinem Schaltpult. Außer wenn seine Schicht vorbei war und er durch den kleinen Gang in das kleine Zimmer ging, wo sein Bett steht, der kleine Tisch, auf dem sich immer wieder aufs neue eine Mahlzeit befand, in diesen kantinenmäßigen Tellern, die aus so kleinen Näpfchen bestehen. Darauf befand sich auch immer so eine Plastikglocke, die wahrscheinlich das Essen warm halten soll, das hat auch immer geklappt eigentlich. Es ist immer angenehm appetitlich, allerdings in seiner Eintönigkeit. Die Plastikglocke war auch am nächsten Tag wieder ganz, als er sie am Vortag wütend zerbrochen hatte.
Dann war da eigentlich nur noch sein Regalbrett mit den Büchern und und dem vergilbten Foto von der jungen Frau. Er hatte inzwischen vergessen, wer genau es war, aber sie war mit ihm verwandt, das wusste er noch. Sie war also entweder seine Frau, seine Tochter oder seine Mutter in Jugendjahren, denn wäre sie entfernter verwandt, wüsste er das sicherlich.
Seine Bücher hatte er noch nie ernsthaft gelesen, vielmehr nur immer wieder mal in einem geblättert, meistens in dem Pilzbestimmungsbuch, weil da einige Abbildungen drin sind. Das ist etwas schöner, als in den anderen Büchern zu lesen, wo nur Text drin ist und die allesamt nicht wirklich sein Geschmack sind. Sie sind nunmal da. Etwa 5 Bücher sind es. Irgendwas von Kafka, die Bibel, ein Krimi und eine Märchensammlung. Vielleicht noch etwas, aber daran kann er sich momentan nicht erinnern. Seine Aufgabe ist ja schließlich nicht, irgendwelche Buchrücken auswendig zu lernen, sondern vor seinem Schaltpult zu sitzen und Wache zu halten. Zumindest war und ist er davon immer überzeugt.
Das ist kein einfacher Job. Genauergesagt hatte er ihn vielleicht bis jetzt noch nicht verstanden. Zumindest grübelte er immernoch über die Instruktionen nach.
Damals waren irgendwelche wichtigen Leute dabei gewesen, als er hierher gebracht wurde.
Er war anfangs etwas schockiert über die Schmucklosigkeit des Raumes. Die charakterlos eierschalig getünchten Betonwände ohne Fenster gaben dem irrwitzig großen Schaltpult zwar genug Raum, allerdings übte die Konturlosigkeit im gleichförmigen Neonlicht sofort eine beklemmende Unbehaglichkeit aus.
Über den ganzen geschäftig-zeremoniellen Ablauf seines Amtsantritts hinweg kam er auch nicht dazu, sich darüber Gedanken zu machen, warum es so eines ausnehmend großen Schaltpultes bedurfte, um darauf lediglich einen einzigen Knopf anzubringen.
Auch dessen Funktion wurde ihm nicht klar; sie ist es bis heute nicht. Er weiß sehr wohl, dass ihm bedeutungsschwer erklärt wurde, es könnte eines Tages – was Gott verhüten möge – nötig sein, dass er den Knopf betätige, um “großes Unheil von der Menschheit abzuwenden”, doch fehlte ihm, zumindest rückblickend, die Information, woran er das dann erkennen solle.
Trotzdem würde er wohl einen riesen Ärger kriegen, falls er einen Fehler machen würde. Was bewirkt denn eigentlich dieser dumme Knopf? Darüber hat keiner auch nur ein Sterbenswörtchen verloren. “Wendet großes Unheil von der Menschheit ab”!
Um ehrlich zu sein wirkt dieser merkwürdige Bunker mit dem Knopf manchmal wie ein Raketenkontrollraum. Also hat er vielleicht den Finger am Abzug. Aber wie sollte das denn bloß Unheil von der Menschheit abwenden?
Außerdem ist es überhaupt total unlogisch und auch unverantwortlich, jemanden völlig ohne Informationen am Abschußknopf sitzen zu lassen. Woher sollte er denn wissen, wann es nötig wäre zu feuern?
Keine Anzeige, kein Telefon, nichteinmal eine Kontrollleuchte, nichts. Das kann ja fast garnicht sein. Aber es ist so, die Zeiten, in denen er täglich stundenlang jeden Quadratzentmeter des Schaltpultes, des Bodens, schließlich sogar die Decke untersucht hatte, ob sich nicht doch irgendwo ein versteckter Schalter, eine Klappe oder wenigstens irgendwas befand, was irgendeinen Aufschluss bringen könnte, waren schon längst vorbei.
Da war definitiv nichts. Also konnte es wohl keine Abschusskontrolle sein. Das wäre blanker Irrsinn. Es muss was anderes sein. Nur, was konnte es denn sein. Seine Suchaktionen förderten ja auch keine Anhaltspunkte zutage, dass er in irgendeiner Form überwacht wurde. Dass es ihm trotzdem nie gelungen war, eine der Personen zu treffen, die offenbar hier Ordnung machten bzw. eine frische Mahlzeit hinstellten, wenn er sich im anderen Raum befand, hatte ihn schier wahnsinnig gemacht.
Nachdem er wochenlang rastlos nach immer neuen Mustern und in so unregelmäßigen Abständen wie möglich die Zimmer in Unordnung brachte und vom einen ins andere ging, kehrte er irgendwann deprimiert wieder zu seinem Schichtdienst zurück, von dem er sich oft nichtmal sicher war, ob er ihn sich nicht doch selbst auferlegt hatte, es gab ja keine Uhr und kein Signal, nichts, das einen Anfang oder ein Ende einer Schicht kennzeichnen hätte können. Und wenn er in seinen Raum ging, war dieser aufgeräumt und es befand sich eine neue Mahlzeit darin. Wenn er nur antäuschte und bald in den Raum zurückkehrte, fand er ihn unverändert vor. Aber niemals war es ihm gelungen, jemandem zu begegnen, und sei es auch nur indirekt durch Anzeichen einer eilig unterbrochenen Aufräumaktion.
Wie dem auch sei, er saß nun wieder regelmäßig an seinem Pult, das war seine Aufgabe, was war denn auch zu tun? Trotzdem, in all der Zeit, die er nun schon hier war, war ihm kein sinnvolles Szenario eingefallen, das erforderte, dass einer quasi Wache hält, während er keinerlei Informationen über das zu bewachende Objekt erhält.
Unheil von der Menschheit abwenden. Klingt ganz schön großkotzig. Wie war er eigentlich dazu gekommen? Schon wieder so ein unbefriedigendes “Keine Ahnung”. Erinnerungen an sein Leben vor seiner Zeit hier waren in seinem Gedächtnis so gut wie nicht vorhanden.
Und von dem was er wußte, konnte er sich auch nicht sicher sein, ob er sich nur irgendwelche Klischees eingebildet hatte, Häuschen in der Vorstadt, spielende Kinder im Garten, jeden Morgen mit Aktenkoffer aus dem Haus, abends nach Hause, das Essen steht auf dem Tisch, Sonntag Nachmittag Kaffee und Kuchen.
Es konnte wirklich nichts Wichtiges sein, was er hier tat, dafür war es offensichtlich zu merkwürdig hier beziehungsweise er zu uninformiert oder unqualifiziert.
Dass er trotzdem seit Jahren unter Freiheitsentzug stand, konnte auch genau das bedeuten: er stand unter Freiheitsentzug, war ein Gefangener.
Aber was war sein Vergehen. Da war beim besten Willen nichts. Woran sollte er sich auch erinnern, wenn er sich nicht erinnern konnte. Hatte man ihn unter Drogen gesetzt, hypnotisiert? Aber wozu dann diese Amtseinführung mit der Ansprache vom Unheilabwenden? Oder hatte er sich das nur eingebildet?
Unsinn! Das war genauso real wie die momentane Realität. Und die ist ja das eigentliche Problem.
Denn wenn das hier Strafvollzug ist, dann ist das eindeutig eine der aufwendigsten Formen, die er sich vorstellen konnte. Sowas zieht man doch nicht für einen einfachen Gefangenen auf, dieses Theater mit der absoluten Isolation.
Politischer Gefangener! Das wäre natürlich ne Nummer! Geheimdienst! Oder vielleicht war er dieser Typ, der weiß, wie man Wasser in Benzin verwandeln kann und die Ölmultis krallen sich ihn und stecken ihn – in einen Bunker? Purer Nonsens!
Das ist wahrscheinlich der Grund, warum er sich an nichts von früher erinnern kann. Er hat bereits jede mögliche Geschichte seiner selbst unzählige Male durchgedacht, so dass er schlichtweg nicht mehr herausfinden kann, welche nun eigentlich die echte ist.
Fest steht wohl nur eines: entweder man will ihm die Freiheit rauben, indem man sie ihm aufs Ausgefeilteste entzieht, während man ihm mittels des Knopfes eine Restfreiheit suggeriert oder man hat ihn verantwortungsvoll mit umfassendem Vertrauen ausgestattet an einen höchst wichtigen Posten gesetzt, dessen Erfüllung notwendigerweise aller dieser Entbehrungen bedarf, möglicherweise bis hin zu seiner absoluten Unkenntnis seiner Aufgabe.
Nun, wie hatte er sich in diesen beiden Fällen zu verhalten? Als Grundsatz für beide Fälle entschied er, sich ausdrücklich und erkennbar nach freiem Willen handelnd verhalten und dadurch seiner charakterlichen Stärke Ausdruck verleihen zu wollen.
Wenn er hier gefangen war, musste er davon ausgehen, zu Unrecht eingesperrt zu sein, da er sich keiner sträflichen Handlung bewußt war, noch sich vorstellen konnte, zu so einer fähig zu sein. Schon garnicht konnte er sich an einen Process erinnern und nur durch das Urteil eines solchen konnte er sich ja rechtmäßig hier befinden.
Als Retter der Menschheit oblag es ihm – diesen Anspruch stellte er an sich selbst – seine Aufgabe verlässlich und gewissenhaft auszufüllen. Das musste in diesem Falle bedeuten zu handeln, wenn Handeln geboten war. Und offenbar hatte er die Entscheidung darüber selbst und unabhängig von äußeren Einflüssen zu treffen.
Scheiß drauf! Unter allen Szenarien war die einzige Möglichkeit, die Freiheit seines Handelns auszudrücken, eben zu handeln, auch wenn dieses Handeln möglicherweise determinierter sei als Nicht-Handeln, zumal seine einzige Handlungsmöglichkeit darin besteht, diesen Knopf zu drücken.
Er war jetzt überzeugt, er würde diesen Knopf drücken, egal ob es nun zur Konsequenz haben sollte, der Menschheit einen Dienst zu erweisen oder sie auszulöschen oder nur sich selbst in Ausführung perfider psychologischer Selbstmordhinrichtungsmethoden perverser Beamter eines totalitären Statsapparates.
Er wird drücken, definitiv, und damit dieser unerträglichen Situation ein Ende machen, in der er inzwischen nurnoch mit Mühe unterscheiden konnte, ob er träumte oder wachte, da er in beiden Zuständen mittlerweile ausschließlich damit beschäftigt war, wie ein Tiger im Zoo vom einen in den anderen Käfig zu schleichen und sich darüber das Hirn zu zermartern, wie es dazu gekommen war oder warum.
Einmal ging er noch in seinen Schlafraum. Eine Mahlzeit, eine – erstaunlich tiefe – Nachtruhe wollte er sich noch genehmigen.
Er stand auf, zog sich in Ruhe mit größter Sorgfalt an, machte sein Bett und widmete jedem Detail seiner kargen Behausung noch einen Moment seiner ungeteilten Aufmerksamkeit. Er ging hinüber, nahm auf seinem Drehstuhl Platz und wischte, wie immer, mit dem Staublappen über das Pult, rückte den dort befindlichen Block und Bleistift zurecht. Nun war es so weit.
Er drückte den Knopf und wendete damit großes Unheil von der Menschheit ab.

11 Kommentare » | Allgemein, Buch III

Handy still und leise

28. November 2009 - 18:11 Uhr

16.11.9 19:04 Straßenbahn Nachdem ich in letzter Zeit aus Faulheitsgründen weder gebloggt noch notiert habe, habe ich schon einige gute Themen wieder vergessen, die ich mit meiner exzellenten Elouenz überschütten wollte. Darum möchte ich wenigstens diese kleine Episode für diese Kategorie in aller Kürze skizzieren.
Ein wunderschöner Zufall hat sich letztens im Kino ereignet. Ich hatte offenbar mein Handy vor dem Film von leise auf laut gestellt. Netterweise rief niemand an. Das ist ja noch nichts besonderes.
Aber just in dem Moment, als ich aus dem Saal laufend meinen Fehler bemerkte, bekam ich einen freundlichen Anruf. Was mich sehr erfreute.
19:27 Möglicherweise ist diese Geschichte nicht besser, als sich über Studentenstreiks, Bildungspolitik, ja, Politik allgemein auszulassen inklusive Wahlergebnisse und Schattenhaushalte unter Finanszinistern mit latenten Verwicklungen in Steuerskandale in ihrer Vita, aber sie ist einfach leichter zu realisieren.

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